Bistumssynode debattiert über Wurzeln, Quellen und Ziele

Alt-Katholiken suchen nach ihrem Profil – und einem neuen Namen?

Veröffentlicht am 05.10.2024 um 12:05 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Mainz ‐ Schon lange versteht sich die alt-katholische Kirche nicht mehr als "Notkirche" in Abgrenzung vom Ersten Vatikanum. Aber was will die Kirche heute sein? Die Bistumssynode diskutierte einen kontroversen "Herdenbrief" – und kam zu einem sehr alt-katholischen Ergebnis.

  • Teilen:

Wie versteht sich die alt-katholische Kirche selbst? Und taugt der Name "alt-katholisch" dafür, eine Kirche zu beschreiben, die für Reformen und eine Offenheit für gesellschaftliche Entwicklungen stehen will? Die Bistumssynode der alt-katholischen Kirche debattierte am Freitag über einen "Herdenbrief", den eine Gruppe aus südwestdeutschen Gemeinden verfasst hatte, um eine Standortbestimmung zu bewirken.

Schon im Vorfeld hatte der Herdenbrief für eine kontroverse Diskussion gesorgt: Die Frage danach, woher die alt-katholische Kirche kommt, wurde darin mit dem Bild eines Flusses mit Quellflüssen und Zuflüssen beschrieben. Zu den Quellen zählen demnach biblische Texte und die Tradition der alten Kirche. So weit, so konsensfähig. Kontroverser war die Frage, ob die Werte der Aufklärung tatsächlich ein "zentraler Zufluss" sind – insbesondere, weil der Herdenbrief vor allem auf die Französische Revolution abhebt.

Blick aus dem Plenum der alt-katholischen Synode auf das Podium. In der Mitte: Bischof Matthias Ring
Bild: ©fxn/katholisch.de

Bei der Synode wurde engagiert über das Selbstbild der alt-katholischen Kirche debattiert.

In einer Reaktion der Geistlichen im Dekanat Nord wird dieser Bezug als "unglücklich" bezeichnet – "zumal wir die alt-katholische Kirche nicht als eine 'revolutionär' motivierte Kirche betrachten, sondern als eine Kirche, welche sich nach Kräften bemüht, Jesus Christus und seiner Botschaft nachzufolgen". Fünf Reaktionen auf den "Herdenbrief" hat das alt-katholische Bistum online gestellt: zwei davon kommen von den Gremien der Geistlichen im Norden und in Bayern, zwei weitere haben Priester verfasst. Alle vermissten in dem Papier eine gewisse theologische Tiefe und klagten darüber, dass die Aufklärung unkritisch angeführt und andere Traditionsstränge ausgeblendet würden, die zur Gründung der alt-katholischen Kirche im Nachgang des Ersten Vatikanischen Konzils (1869–1870) aufgrund der Ablehnung der Papstdogmen der Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimats geführt hatten.

Kein Streit zwischen Geistlichen und Laien

"Die biblische Rückbindung der Werte 'Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit' fehlt komplett im Herdenbrief", bemängelt die bayerische Pastoralkonferenz. Der Münchener Priester Anselm Bilgri – die Konversion des ehemaligen Benediktiners hat 2020 für Schlagzeilen gesorgt – vermisste die Wurzeln in der nationalkirchlichen Bewegung des 19. Jahrhunderts und erinnert an Ignaz Heinrich von Wessenberg, den Generalvikar des Bistums Konstanz, der nach dessen Auflösung nicht Erzbischof von Freiburg werden durfte, weil seine Reformideen zu radikal waren. "Auf dem Wiener Kongress hatte dieser sich in Dalbergs Auftrag um die Herstellung einer deutsch-katholischen Nationalkirche unter einem deutschen Primas bemüht", erinnert Bilgri.

Diskussionsbeiträge zum Selbstverständnis

Das alt-katholische Bistum hat den "Herdenbrief" und Reaktionen darauf öffentlich zugänglich gemacht.

Also ein Streit zwischen Laien und Geistlichen in der alt-katholischen Kirche? Hier die revolutionär-aufklärerischen Laien, dort die auf theologische Verwurzelung pochenden Geistlichen? Die Diskussion auf der Synode zeigte, dass es so einfach nicht ist. Zu den Verfassern des Herdenbriefs gehören auch Geistliche. Die Position der Kritiker fand breiten Widerhall in den Diskussionsgruppen zum Papier.

Auf der Synode erläuterten die Initiatoren ihr Anliegen noch einmal. Ursprünglich hatten sie den Antrag gestellt, auf die Suche nach einem neuen Namen für die alt-katholische Kirche zu gehen: "alt-katholisch" transportiere nicht das, was die Kirche heute ausmache. Die Entstehungsgeschichte des Namens sei heute kaum noch präsent: Die ersten Alt-Katholiken hatten nach dem Ersten Vatikanum damit deutlich machen wollen, dass sie die Neuerungen des Konzils ablehnten und sie tatsächlich die alte katholische Lehre vertreten, nämlich die einer Kirche ohne Unfehlbarkeit des Papstes und ohne dessen Recht, umfassend und letztverbindlich die Kirche zu regieren.

Abgeordnete der alt-katholischen Bistumssynode stimmen mit Stimmkarten ab.
Bild: ©fxn/katholisch.de

Die alt-katholische Kirche ist bischöflich-synodal verfasst: Die Bistumssynode ist das höchste beschlussfassende Gremium.

Immer wieder hieße es, der sperrige Name lade zu Gesprächen ein und führe dazu, dass man erst über die alt-katholische Kirche ins Gespräch komme. "Uns beschäftigen aber auch die Gespräche, die nicht stattfinden, weil sie abgeschreckt aus Höflichkeit gar nicht nachfragen", so einer der Initiatoren.

Suche nach dem Profil gehört zum Profil

In der Diskussion auf der Synode zeichnete sich ab, dass das Kirchenbild des "Herdenbriefs" nur teilweise die Mehrheitsmeinung der Synodalen trifft. In den Diskussionsrunden wurde das alt-katholische Profil mit Schlagworten wie Ökumene, Vielfalt, Willkommenskultur und Offenheit beschrieben. Die Vergewisserung historischer Wurzeln sei weniger wichtig als eine passende Antwort auf Fragen der Zeit. Es brauche kein Positionspapier mit theologischer Sprache: "Menschen müssen erfahren, dass sie in ihrer Seele etwas von uns haben", sagte eine Synodale.

Erfahrene Synodenmitglieder berichteten davon, dass die Suche nach dem alt-katholischen Profil geradezu zum Profil der von vielen Konvertiten geprägten Kirche gehört. Längstens alle zehn Jahre dauere es, bis es wieder einen Vorstoß gebe, das Profil zu schärfen oder einen neuen Namen für die Kirche zu finden. Mit der Bezeichnung "alt-katholisch" scheinen sich aber mittlerweile die meisten arrangieren zu können. "Kein Problem mit alt-katholisch" stand auf einer der Karten mit den Ergebnissen der Diskussion – ähnliche Rückmeldungen gab es aus jeder Gruppe. Eine Kommission mit der Suche nach einem neuen Namen zu beauftragen, fand am Ende keine Fürsprecher mehr. Wohl aber die Weiterarbeit am Profil – wenn auch ohne eine eigene Arbeitsgruppe. "Wir brauchen keine permanente Nabelschau, keine ewige Sinnkrise", hieß es von einem Synodalen. Spitz wiesen andere im Plenum darauf hin, dass es bereits ein Gremium gebe, das das Selbstverständnis der Kirche durch sein Handeln immer wieder und breit getragen weiterentwickle: nämlich die Synode selbst.

Zu diesem Selbstverständnis gehört es, eine diskursive Kirche zu sein. So zeigte sich Bischof Matthias Ring am Ende zufrieden mit dem Prozess, auch wenn kein Beschluss an seinem Ende steht. Er selbst habe auch nicht zu den Unterstützern des "Herdenbriefs" gehört, betonte er. Aber er lobte das Engagement der Initiatoren: "Sie haben zum Widerspruch angeregt, und das ist in einer synodalen Kirche schon ein Wert."

Von Felix Neumann

Hintergrund: Bistumssynode der alt-katholischen Kirche

Die Synode des Bistums der Alt-Katholiken ist das höchste beschlussfassende Gremium der alt-katholischen Kirche in Deutschland. Sie tagt von Donnerstag bis Sonntag in Mainz. Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Befassung mit der alt-katholischen Identität und der Umgang mit Kirchenmitgliedern, die Mitglied einer gesichert rechtsextremistischen Partei oder Organisation sind. Ein Antrag sieht vor, solchen Mitgliedern die passiven synodalen Rechte zu entziehen.

Die alt-katholische Kirche in Deutschland entstand in den 1870er-Jahren in Abgrenzung zu den Beschlüssen des Ersten Vatikanischen Konzils (1869-1870) zur Unfehlbarkeit und zum Jurisdiktionsprimat des Papstes. Zum deutschen Bistum gehören knapp 16.000 Mitglieder in 60 Pfarrgemeinden. Seit 2009 steht Matthias Ring dem Bistum als zehnter Bischof vor. Die Kirchenordnung der alt-katholischen Kirche ist bischöflich-synodal: Der von der Synode gewählte Bischof leitet gemeinsam mit einer von Geistlichen und Laien gebildeten Synodalvertretung die Kirche. (fxn)