Studien führen zu mehr Meldungen

Versicherung: Mehr als 630 kirchliche Missbrauchsfälle gemeldet

Veröffentlicht am 07.10.2024 um 10:54 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Kann sexueller Missbrauch in der Kirche zum Versicherungsfall werden? Ja, sagt die zuständige Berufsgenossenschaft. Wie viele Fälle aktuell bekannt sind und was für eine Anerkennung nötig ist.

  • Teilen:

Mehr als 630 Fälle sexualisierter Gewalt in beiden großen Kirchen sind bislang der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) gemeldet worden. Über mehr als 200 davon wurde bereits entschieden – in über der Hälfte mit Anerkennung. Das teilte der für die Kirchen zuständige gesetzliche Unfallversicherer am Montag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Hamburg mit. Für die Betroffenen würden etwa die Kosten einer psychologischen Behandlung übernommen. In schweren Fällen, die sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, könne zudem Anspruch auf eine Verletztenrente bestehen. Eine solche werde bereits in 20 Prozent der anerkannten Fälle bezahlt.

Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum von April 2022 bis heute. Damals hatte die VBG den Kirchen erstmals mitgeteilt, dass auch Fälle sexuellen Missbrauchs Versicherungsfälle sein können. Die VBG ist als gesetzliche Unfallversicherung für Menschen zuständig, die haupt- oder ehrenamtlich in den Kirchen beschäftigt sind. Über die Berufsgenossenschaft sind nach deren eigenen Angaben allein 1,7 Millionen Menschen versichert, die in den Kirchen ehrenamtlich tätig sind. Zu hauptamtlich Beschäftigten konnte die Versicherung derzeit keine Angaben machen.

Missbrauchsstudien führen zu mehr Meldungen

Die Zahl der eingehenden Meldungen sei jeweils auch abhängig von aktuellen Missbrauchsstudien. "Nach der Studie der evangelischen Kirche vom 25. Januar 2024 haben uns etwa 20 neue Meldungen aus dem Bereich der evangelischen Kirche erreicht. Hier ist ein temporärer Zusammenhang feststellbar", sagte eine Sprecherin.

Die Voraussetzungen für einen Versicherungsfall seien gesetzlich geregelt. Nach Eingang einer Meldung nehme die VBG Kontakt zum Betroffenen auf. Bei Einverständnis würden auch Unterlagen der kirchlichen Unabhängigen Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) oder aus Straf- oder Entschädigungsverfahren herangezogen sowie bereits vorliegende Gutachten. Erst dann könne eine Entscheidung über eine Anerkennung getroffen werden.

Fall aus dem Erzbistum Paderborn abgelehnt

Zuletzt war ein Fall bekannt geworden, in dem ein Betroffener Missbrauch durch einen Priester im Erzbistum Paderborn geltend machen wollte. Die Rente für den damaligen Messdiener wurde mit der Begründung abgelehnt, die Vorfälle seien im Privaten und nicht in Zusammenhang mit der Messdienertätigkeit geschehen. Der Betroffene hatte der VBG eine Täter-Opfer-Umkehr vorgeworfen und Widerspruch eingelegt. Auf Nachfrage erklärte die Versicherung, sie könne zu dem Fall keine Stellung nehmen, da es sich um ein laufendes Verfahren handele. (KNA)