Unfallversicherung will nicht an missbrauchten Messdiener zahlen
Ein früherer Messdiener beansprucht wegen des Missbrauchs durch einen Priester eine Rente von der gesetzlichen Unfallversicherung – und hat einen abschlägigen Bescheid erhalten. Die Übergriffe im Pfarrhaus und in einer Kapelle hätten nicht in Zusammenhang mit der Tätigkeit als Messdiener gestanden, begründete die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) nach einem Bericht der Bielefelder Zeitung "Westfalen-Blatt" ihre Ablehnung. Dagegen habe der Betroffene Widerspruch eingelegt.
Auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte die Versicherung am Mittwoch in Hamburg, sie könne zu dem Fall keine Stellung beziehen, da es sich um ein laufendes Verfahren handele. Grundsätzlich könnten Fälle sexualisierter Gewalt Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sein. Nicht nur Beschäftigte bei den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften seien versichert, sondern auch ehrenamtlich Tätige. Die Prüfung erfolge einzelfallbezogen. Gegen die Entscheidung könnten Betroffene Widerspruch einlegen, der von der VBG überprüft werde.
Nach Angaben der Zeitung wurde der ehemalige Messdiener in den 1970er-Jahren im Erzbistum Paderborn schwer missbraucht. Die Kirche habe in Anerkennung des Leids bereits 68.000 Euro gezahlt. Die Berufsgenossenschaft sehe den Missbrauch nicht im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit als Messdiener. Das Opfer selbst habe die Nähe zum Pfarrer gesucht und in einem engen Vertrauensverhältnis zu ihm gestanden, zitiert das Blatt aus einem Schreiben der VBG an den Betroffenen. "Zu den sexuellen Übergriffen ist es gekommen, weil Sie ihn um Rat baten, als Sie pubertätsbedingte körperliche Veränderungen an ihrem Körper wahrnahmen."
Vom Opfer zum Beschuldigten?
Der Betroffene wirft der VBG eine Täter-Opfer-Umkehr vor. Der ablehnende Brief habe bei ihm eine Retraumatisierung ausgelöst, berichtete sein Betreuer der Zeitung.
Das Opfer und sein Anwalt Christian Roßmüller beobachten nach dem Bericht auch den Schmerzensgeldprozess einer Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln. In dem Verfahren geht es um die grundsätzliche Frage, ob die Amtshaftung des Erzbistums nicht nur den dienstlichen, sondern auch den privaten Bereich eines Priesters umfasst. Klägerin ist hier eine 57-jährige, die Pflegetochter des 2022 wegen mehrfachen Missbrauchs zu zwölf Jahren Haft verurteilten Priesters U. war und von ihm mehrfach vergewaltigt wurde. Sie verlangt rund 850.000 Euro.
Der Vorsitzende Richter ließ erkennen, dass das Erzbistum nur dann als Dienstherr von Priester U. für dessen Taten zu belangen sei, wenn diese im Rahmen seines Dienstes ausgeführt wurden und nicht als Privatperson. Im konkreten Fall habe nicht das Erzbistum dem Priester die Obhut über die Klägerin und ein weiteres Pflegekind überlassen, sondern das Jugendamt. Dagegen argumentieren die Anwälte der Frau, darunter auch Roßmüller, dass ein Priester nach katholischem Selbstverständnis immer im Dienst sei. (KNA)