"Fratze des Rassismus und Antisemitismus" in unvorstellbarer Weise gezeigt

Mahnung zur Wachsamkeit – Bischöfe zum Jahrestag des 7. Oktobers

Veröffentlicht am 08.10.2024 um 12:05 Uhr – Lesedauer: 

Bonn  ‐ Ein Jahr nach dem Massaker der Hamas in Israel eskaliert der Nahost-Konflikt immer weiter. Und auch in Deutschland hat der Angriff Spuren hinterlassen. Bischöfe beten für Frieden und warnen.

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Mehrere deutsche Bischöfe haben sich zum ersten Jahrestag des Angriffs der Hamas auf Israel geäußert. Die "Fratze des Rassismus und Antisemitismus" habe sich am 7. Oktober 2023 in unvorstellbarer Weise gezeigt, sagte Bischof Ulrich Neymeyr (Foto oben) am Montag bei einer Solidaritätskundgebung in Erfurt. Er mahnte zur Wachsamkeit: "Dieser Ungeist kriecht langsam hoch. Jede Form von Diskriminierung ist ein Anfang dessen, was am 7. Oktober geschehen ist." Der Erfurter Bischof ergänzte, jede Form der Verharmlosung oder Verdrängung des Holocausts erzeuge die Bedingungen dafür, dass so etwas wieder geschehen könne. "Von der Verharmlosung des Holocausts zu seiner Gutheißung bis hin zu seiner Wiederholung sind es nur kurze Schritte. Das haben wir in Halle leidvoll erfahren müssen", sagte Neymeyr, der auch Beauftragter für das Judentum der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist.

Marx: Frieden erst nach Geisel-Freilassung möglich

In der Münchner Hauptsynagoge Ohel Jakob sagte Kardinal Reinhard Marx am Jahrestag des Angriffs: "Ein nachhaltiger Friede im Nahen Osten wird erst möglich sein, wenn auch die letzten Geiseln wieder zu Hause sind. Wir dürfen sie nicht vergessen und beten für ihre sichere Heimkehr". Für ihn sei klar, so der Erzbischof von München und Freising, "dass wir Christen fest an der Seite aller Juden stehen. Wir sind Geschwister, wir haben ein gemeinsames Menschenbild und glauben an den einen Gott".

Bei einem ökumenischen Friedensgebet im Speyrer Dom sprach Bischof Karl-Heinz Wiesemann am Montag von einer "Spirale der Gewalt", in der sich die Menschen vor Ort befänden: "Kaum zu ermessen ist, was Menschen in Israel und Palästina zu tragen haben: Trauer, Angst, Verzweiflung, Wut und Bitterkeit." Der Bischof von Speyer sagte, niemand wisse, was kommen werde und ob es jemals Frieden geben werde. "Hass und Gewalt haben das Vertrauen der Menschen zerstört, die Hoffnung hat einen schweren Stand in diesen Zeiten", sagte er.

Erzbischof Udo Markus Bentz (Paderborn) rief am 7. Oktober zum besonders intensiven Gebet um Waffenstillstand und Frieden im Nahen Osten auf, damit eine "Unterbrechung der Spirale der Vergeltung und Gewalt" möglich werden könne. Bischof Michael Gerber (Fulda) sagte: "Unsere Gedanken und Gebete gelten nicht nur den Opfern der Gewalt, sondern auch den mutigen Menschen, die sich unermüdlich für Frieden und Verständigung einsetzen." Mit Blick auf die jüngsten Eskalationen in Israel, Gaza und dem Libanon erklärte der stellvertretende DBK-Vorsitzende, mittel- und langfristig gebe es für das Heilige Land weiterhin keine Alternative zu einem Friedensprozess, der das Existenzrecht Israels respektiere und sichere. Und der zugleich ein Leben in Würde und Rechtsstaatlichkeit für Israelis und Palästinenser garantiere.

Laienvertreter: Logik der Verfeindung entgegentreten

Der Gesprächskreis "Juden und Christen" beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erklärte: "Wir können den Nahostkonflikt in Deutschland nicht lösen – aber wir können gemeinsam der Logik der Verfeindung hier entgegentreten und miteinander im Gespräch sein." In der vergangenen Woche äußerten sich die katholische und die evangelische Kirche gemeinsam mit großer Sorge angesichts der Eskalation der Gewalt. Der Terrorakt vom 7. Oktober 2023 sei "ein beispielloser Angriff auf Israels Bevölkerung und die Sicherheit des Landes" gewesen, "in dessen Folge Israel sein Recht auf Selbstverteidigung geltend machte und mit aller Entschlossenheit reagierte", erklärten der DBK-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing (Limburg) und die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischöfin Kirsten Fehrs, am Freitag gemeinsam.

Am 7. Oktober 2023 hatten Terroristen der islamistischen Hamas zahlreiche israelische Orte, Kibbuze und Armeestützpunkte entlang der Grenze zum Gazastreifen angegriffen. Dabei wurden nach offiziellen israelischen Angaben mehr als 800 Zivilisten und rund 370 Soldaten getötet. Rund 250 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt. Bis heute befinden sich noch 101 Geiseln in der Gewalt der Hamas. Am 8. Oktober erklärte Israel offiziell den Kriegszustand. (tmg/KNA)