Betroffenenvertreter Norpoth lobt Konzept von Hengsbach-Studie
Betroffenenvertreter Johannes Norpoth sieht das Konzept der neuen Studie zum Leben von Kardinal Franz Hengsbach (1910-1991) positiv: "Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit", sagte er am Montag im Gespräch mit dem kirchlichen Kölner Internetportal "domradio.de". In einer auf drei Jahre angelegten Studie sollen nicht nur die mutmaßlichen Missbrauchstaten des früheren Essener Bischofs, sondern sein ganzes Leben unter die Lupe genommen werden: Mit einer soziologisch-historischen Studie wollen Forscher die Vorwürfe sexualisierter Gewalt wissenschaftlich aufarbeiten.
Norpoth: Extrem komplexes Untersuchungsfeld
Das Mitglied des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) erklärte dazu: "Die historischen wie auch die sozialwissenschaftlichen Komponenten brauchen einfach Analysezeit. Wir bewegen uns in einem extrem komplexen und breiten Untersuchungsfeld. Und wir haben eine sehr, sehr lange Wirkungszeit von Hengsbach in den einzelnen Institutionen." Insofern gehe bei solchen Prozessen tatsächlich viel Zeit ins Land.
Norpoth würdigte Hengsbach im Interview als eine Person des öffentlichen Lebens, die viel für die Kulturregion Ruhrgebiet getan habe. "Das besteht immer noch und das bleibt." Dennoch gelte: "Egal wieviel Gutes jemand getan hat, das positive Wirken darf nicht als Make-Up für die hässliche Fratze des Missbrauchs genutzt werden." Insofern sei er dankbar, dass jetzt der nächste Schritt getan werde, um die verschiedenen Zusammenhänge aufzuarbeiten. Norpoth erhoffe sich, durch die Studie einen tiefen Einblick in die Zusammenhänge von Macht und Haltung von klerikalen Führungspersönlichkeiten und detaillierteres Wissen über die systemischen Ursachen von sexualisierter Gewalt zu bekommen.
Hengsbach hatte viele wichtige Rollen in der Kirche
Hengsbach war von 1958 bis 1990 erster Bischof des damals neu gegründeten Ruhrbistums Essen. Davor war er als Priester und Weihbischof im Erzbistum Paderborn tätig (bis 1958). Hengsbach hatte darüber hinaus viele weitere wichtige Rollen in der katholischen Kirche inne: Er war Militärbischof (1961-1978), Generalsekretär und -assistent im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK, 1947-1968) und Vorsitzender des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.
Alle fünf Institutionen haben die Studie gemeinsam in Auftrag gegeben. Beauftragt wurden das Institut für Praxisforschung und Projektberatung in München und die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Beide waren schon an mehreren kirchlichen Missbrauchsstudien beteiligt. (KNA)