Seit Juni ohne Aufgabe in seiner Erzdiözese

Ex-TikTok-Priester gibt Priesteramt auf – und kritisiert Klerikalismus

Veröffentlicht am 22.10.2024 um 11:39 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Mit 1,2 Millionen Abonnenten galt der französische Geistliche Matthieu Jasseron als größter katholischer Influencer auf TikTok. Doch dann hörte er plötzlich mit seinen Netz-Aktivitäten auf. Nun zieht er sich auch aus dem Priesteramt zurück.

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Der bekannte französische Priester und TikTok-Influencer Matthieu Jasseron hat seinen Rückzug aus dem aktiven Priesteramt angekündigt. Wie die katholische Zeitung "La Croix" am Dienstag berichtet, veröffentlichte Jasseron am Sonntag ein Video, in dem er seine Entscheidung mit einer zunehmenden Entfremdung zwischen ihm und der Kirche begründet. "Im Grunde bleibe ich Priester, ähnlich wie Ehepaare, die sich trennen, ohne sich scheiden zu lassen", sagte er.  

Jasseron ist ehemaliger Pfarrer von Joigny im Erzbistum Sens und wurde 2019 zum Priester geweiht. Bekannt wurde er durch kurze Videos auf der Plattform TikTok. Mit 1,2 Millionen Abonnenten galt er als einer der größten katholischen Influencer im Internet. Er gründete auch die Plattform Theostream. In seinen Videos plädierte er für einen offenen Katholizismus und kritisierte unter anderem die kirchliche Lehre zur Homosexualität. Dies brachte ihm Kritik ein. Im vergangenen Jahr distanzierte sich auch die Französische Bischofskonferenz von seinen Äußerungen. Ende letzten Jahres sorgte dann sein Rückzug aus den sozialen Netzwerken für Aufsehen. Grund dafür sollen anhaltende Differenzen mit dem damals für ihn zuständigen Diözesanbischof Hervé Giraud gewesen sein. Seit Juni nimmt Jasseron laut "La Croix" keine offiziellen Aufgaben mehr in seiner Erzdiözese wahr.  

Fall Jasseron könnte Thema bei Vollversammlung sein 

Als weitere Gründe für seinen Rückzug nannte der ehemalige katholische Influencer in seinem nun veröffentlichten Video strukturelle Probleme der Kirche, das klerikale Klima und kritisierte den politischen Einfluss in der Kirche. Jasseron spricht auch von Missständen wie Machtmissbrauch und behauptet, von einem namentlich nicht genannten Bischof misshandelt und körperlich angegriffen worden zu sein. Darüber hinaus spricht Jasseron von weiteren "Enthüllungen", etwa dass er vom Geheimdienst unter Druck gesetzt worden sei, nicht an einer Kirchenversammlung teilzunehmen, aus Angst, er könne "Skandale über bestimmte Prälaten" aufdecken. So bezeichnete er Teile der kirchlichen Hierarchie als "Verräter" und prangerte die Vermischung von Glaube und Politik in der Kirche an. Er selbst, so heißt es in dem Video, habe eine "lange und schwierige Phase der Selbstreflexion" hinter sich.  

Der neue Diözesanbischof von Sens, Pascal Wintzer, hat die Entscheidung Jasserons, sich aus dem pastoralen Dienst zurückzuziehen, dem Bericht zufolge zur Kenntnis genommen und plant ein persönliches Gespräch. "Eine solche Situation wirft Fragen auf – für unsere Kirche, das Priesteramt, die Ausbildung", so der Erzbischof gegenüber "La Croix". Der Fall Jasseron könnte auch Thema bei der nächsten Vollversammlung der französischen Bischöfe im November in Lourdes sein, spekuliert die Zeitung. (mtr)