Prioritäten oft sehr unterschiedlich

Katholiken sind das "Zünglein an der Waage" bei der US-Wahl

Veröffentlicht am 26.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Thomas Spang (KNA) – Lesedauer: 

Kansas City/Washington ‐ Verhelfen weiße US-Katholiken Donald Trump ins Weiße Haus? Eine Umfrage des National Catholic Reporters (NCR) in den sieben Swing-Staaten der Präsidentschaftswahlen am 5. November zeigt, dass die Gläubigen die Anliegen des Klerus kaum beachten. Bei Abtreibung und Einwanderung gehen sie eigene Wege.

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Die US-amerikanischen Katholiken stehen im Ruf, ein guter Indikator für den Ausgang der Wahlen in den USA zu sein. Das liegt daran, dass katholische Wähler demografisch die Vielfalt Amerikas besser spiegeln als andere Gruppen. "Der durchschnittliche Katholik sieht aus wie der durchschnittliche Amerikaner", weiß Ryan Burges, der sich an der Eastern Illinois University mit Religion und Politik befasst.

"Wir sind unglaublich gespalten", fasst er das Ergebnis einer Umfrage des National Catholic Reporter (NCR) unter katholischen Wählern in sieben wichtigen Swing-States (Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin) zusammen; in diesen Bundesstaaten sind die Wahlprognosen besonders knapp. In dem Kopf-an-Kopf-Rennen zeichnet sich ein leichter Vorteil für Donald Trump ab. Der führt unter Katholiken mit fünf Prozent gegen Kamala Harris.

Die zwischen dem 3. und 8. Oktober durchgeführte Erhebung von Mercury Analytics umfasste 1.172 katholische Wähler mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von knapp drei Prozent. Das Ergebnis sei knapp genug, so Burge gegenüber dem Auftraggeber der Umfrage, dass kleine Verschiebungen bei den Katholiken "ausreichen, um das gesamte Ergebnis eines Swing States und der Wahl zu beeinflussen".

Komplexes Bild

Insgesamt zeigt die Umfrage ein komplexes und differenziertes Bild der politischen Einstellungen der US-Katholiken vor der Präsidentschaftswahl 2024. Dabei ragen Trumps Dominanz bei weißen Katholiken mit 16 Prozent (56 % vs. 40 %) und der noch deutlichere Vorsprung von 39 Prozent für Harris bei hispanischen Katholiken (67 % vs. 28 % für Trump) heraus.

Betrachtet man die Altersgruppen, so tendieren jüngere Katholiken (18-29 Jahre) stärker zu den Demokraten (48 % vs. 45 % für Republikaner). Die Altersgruppe 50-64 Jahre zeigt dagegen die stärkste Unterstützung für die Republikaner (53 % vs. 43 % für Demokraten). Bei den über 65-Jährigen ist das Verhältnis ausgeglichener (50 % Republikaner, 46 % Demokraten). Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede. Katholische Männer tendieren stärker zu Trump (54 % vs. 46 % für Harris), während bei katholischen Frauen Harris knapp führt (51 % vs. 49 % für Trump).

Bild: ©picture alliance/Shotshop/valentyn semenov

Politik und Religion sind in den USA eng verknüpft.

Zwischen den einzelnen Swing-States variiert das Bild ebenfalls. Trump führt in Wisconsin (57 % vs. 39 %), Michigan (53 % vs. 41 %) und Georgia (51 % vs. 46 %). Harris liegt dagegen in Nevada (50 % vs. 44 %) und Pennsylvania (49 % vs. 48 %) vorne. In Arizona und North Carolina gibt es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Erklärung dafür hat mit dem Anteil der hispanischen Bevölkerung zu tun.

Kirchlicher Einfluss begrenzt

Der Einfluss der katholischen Kirche auf das Wahlverhalten ihrer Mitglieder scheint indes begrenzt zu sein. Etwa jeder dritte Katholik (36 %) gibt an, dass Papst Franziskus einen starken oder gewissen Einfluss auf die Wahlentscheidung hat. Das entspricht in etwa auch dem der Bischöfe oder Geistlichen vor Ort. Nur 13 Prozent sagen, dass sie den Leitfaden der US-Bischofskonferenz "Forming Consciences for Faithful Citizenship" zu den Wahlen gelesen haben.

Der Analyst Michael Sean Winters vom NCR meint, es sei "überraschend", dass die Katholiken bei der von der US-Bischofskonferenz zur alles überragenden Priorität stilisierten Abtreibungsfrage, aber auch beim Fokus des Papstes auf eine humane Einwanderungspolitik eigene Wege gehen.

Während die katholische Kirche Abtreibung strikt ablehnt, befürworten 58 Prozent der befragten Katholiken, dass sie in allen oder den meisten Fällen legal sein sollte. Beim Thema Einwanderung ignorieren viele Gläubige die Kritik von Papst Franziskus an Trumps Einwanderungspolitik als "gegen das Leben". Drei Viertel der katholischen Trump-Wähler unterstützen ihn gerade wegen seiner restriktiven Positionen. Als wichtigste Themen für ihre Wahlentscheidung nennen die befragten Katholiken: Wirtschaft (75 %), Einwanderung/Grenzsicherung (60 %), Gesundheitswesen (53 %), Steuern (52 %), Bezahlbarer Wohnraum (46 %), Kriminalität (42 %), Abtreibung, Verhütung, künstliche Empfängnis (37 %).

Bild: ©vetre - stock.adobe.com

Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist ein Dauerbrenner.

Beim Thema Abtreibung teilen nur vier von zehn (40 %) das von der Kirche vertretene Verbot in den meisten oder allen Fällen. Gleichzeitig bezeichnen sich etwas mehr als die Hälfte (51 %) als "Pro-Life". Die Interpretation dieses Begriffs variiert dabei stark. Für knapp drei Viertel (72 %) bezieht sich "Pro-Life" auf Abtreibung. Der Rest verbindet den Begriff auch mit anderen Themen wie Armut oder Krieg.

Bei LGBTQ-Themen zeigt sich eine Mehrheit der katholischen Wähler offen. Mehr als jeder Zweite befürwortet breite rechtliche Schutzmaßnahmen für LGBTQ-Personen (54 %), die Inklusion in katholische Schulen und Einrichtungen (51 %) und die gleichgeschlechtliche Ehe (55 %).

Bemerkenswerte Unterschiede

In den einzelnen Swing-States zeigen sich einige bemerkenswerte Unterschiede. In Arizona fällt die Unterstützung für Trump geringer aus als im Durchschnitt. Hier spielt das Thema bezahlbarer Wohnraum eine überdurchschnittlich große Rolle. Georgia zeigt eine stärkere Polarisierung bei religiösen Themen. So stimmen hier 60 % der Aussage zu, dass Abtreibung das vorrangige Thema für katholische Wähler sein sollte (vs. 40 % im Gesamtdurchschnitt). In Michigan ist die Unterstützung für Trump besonders ausgeprägt (53 % vs. 41 % für Harris). Hier spielt das Thema Einwanderung/Grenzsicherung eine besonders wichtige Rolle (63 % vs. 60 % im Gesamtdurchschnitt).

Nevada weicht in mehreren Punkten vom Gesamtbild ab. Hier führt Harris knapp (50 % vs. 44 % für Trump). Die Befragten in Nevada zeigen sich bei gesellschaftspolitischen Themen liberaler, so befürworten hier 61 % die gleichgeschlechtliche Ehe (vs. 55 % im Gesamtdurchschnitt). North Carolina zeichnet sich durch eine besonders starke Identifikation mit dem Katholizismus aus. 90 % geben an, dass ihre katholischen Überzeugungen und Identität für sie wichtig sind (vs. 87 % im Gesamtdurchschnitt). In Pennsylvania liegt Harris knapp vorne (49 % vs. 48 % für Trump). Hier spielen wirtschaftliche Themen eine besonders große Rolle. Wisconsin zeigt die stärkste Unterstützung für Trump (57 % vs. 39 % für Harris). Gleichzeitig ist hier der Einfluss der katholischen Kirche auf die politischen Ansichten am geringsten (66 % vs. 80 % im Gesamtdurchschnitt).

Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen am 5. November in den Swing-Staaten steht insgesamt auf Messers Schneide. Umfragen in der Gesamtbevölkerung zeigen Rennen, in denen Trump und Harris ein bis zwei Punkte auseinanderliegen. Die katholische Wählerschaft könnte damit einmal mehr das Zünglein an der Waage sein. Oder wie NCR-Analyst Winters an eine alte Weisheit erinnert: "Es gibt keine katholische Stimme, und doch wird die katholische Stimme die Wahl entscheiden."

Von Thomas Spang (KNA)