Jüngste Äußerungen zu Trump und Harris spiegeln Spaltung wider

Papst Franziskus macht es den Katholiken in den USA nicht leichter

Veröffentlicht am 19.09.2024 um 00:01 Uhr – Von Bernd Tenhage (KNA) – Lesedauer: 

Washington ‐ Papst Franziskus rät den Katholiken in den USA, bei der Wahl ihrem Gewissen zu folgen. Damit bezieht er eine andere Position als die Bischofskonferenz. Unterdessen hat sich unter katholischen Wählern das Gewicht leicht in eine Richtung verschoben.

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Die jüngsten Äußerungen des Papstes zu den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 5. November spiegeln die Spaltung innerhalb der katholischen US-Kirche wider. Und tragen offenbar wenig dazu bei, diese zu überbrücken.

Während die US-Bischöfe in ihrem aktualisierten Wählerleitfaden ("Forming Consciences for Faithful Citizenship") Abtreibung zum alles überragenden Thema erklärt haben, "weil mehr als eine Million Leben im Jahr in unserem Land zerstört werden", sehen das laut einer aktuellen Umfrage des Pew Research Center weniger als die Hälfte der Gläubigen (44 Prozent) so. Dagegen sagen fast drei von vier weißen Katholiken (72 Prozent), dass ihnen die Begrenzung der Einwanderung besonders am Herzen liegt. Das könnte erklären, warum sich im Endeffekt die Gewichte leicht in Richtung des "Make-America-Great-Again"-Kandidaten verschoben haben. Der Erhebung zufolge wollen 47 Prozent aller US-Katholiken die Demokratin Kamala Harris wählen, 52 Prozent den Republikaner Donald Trump.

Reizthemen Abtreibung und Migration 

Nach Ethnien aufgeteilt unterstützen 61 Prozent der weißen Katholiken Trump, während 65 Prozent der hispanischen Gläubigen für Kamala Harris sind. Diese Befunde liefern die Kulisse, vor der die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus auf dem Rückflug seiner Asien-Pazifik-Reise einzuordnen sind.

Nach Ansicht einiger Beobachter folgte der Papst den Ausführungen der US-Bischofskonferenz, die Abtreibung für das wichtigste Thema hält, nicht ganz. Vielmehr rückte er am Freitag die persönliche Wahlentscheidung in einen größeren Kontext. "Beide sind gegen das Leben", sagte Franziskus über die Präsidentschaftskandidaten, ohne sie namentlich zu nennen. Wer Migranten zurückweise, mache sich ebenso schuldig wie jemand, der Abtreibung befürworte.

Der Bischof von San Diego, Robert Walter McElroy
Bild: ©KNA/David Maung/CNS photo (Archivbild)

Nach den Papst-Aussagen könnten sich reformorientierte US-Bischöfe wie Kardinal Robert McElroy ermutigt fühlen, für eine sorgfältigere Abwägung bei der US-Wahl zu plädieren.

Der Papst riet katholischen Wählern, ihrem Gewissen zu folgen: "Man muss das geringere Übel wählen. Und wer ist das geringere Übel: Jene Dame oder jener Herr? Ich weiß es nicht."

Diese Worte lassen freilich großen Spielraum für verschiedene Sichtweisen. Bereits in der Vergangenheit hatten Abtreibungs-Gegner gegen das protestiert, was sie für eine moralische Gleichsetzung von Abtreibung und Einwanderung durch Franziskus halten. Dagegen dürften sich Reformer in der Bischofskonferenz – wie die Kardinäle Robert McElroy und Blase Cupich – ermutigt fühlen, für eine sorgfältigere Abwägung zu plädieren.

Trump hat für den Fall seiner Wiederwahl eine restriktive Migrationspolitik mit der größten Massenausweisung der US-Geschichte angekündigt. Millionen Einwanderer ohne gültige Papiere sollen so mithilfe lokaler Polizeibehörden und der Nationalgarde außer Landes gebracht werden. Harris erregt indes mit ihrer liberalen Haltung in Sachen Abtreibung Anstoß in konservativ-katholischen Kreisen. So hat sie das Werben für "reproduktive Freiheit" zu einem Kernelement ihres Wahlkampfs gemacht, um insbesondere Wählerinnen anzusprechen.

US-Präsident Donald Trump
Bild: ©picture alliance/NurPhoto/Jaap Arriens (Archivbild)

Die Behauptung von Donald Trump, dass haitische Einwanderer in Springfield (Ohio) Haustiere der Einheimischen gegessen hätten, brauchte auch den ein oder anderen Bischof gegen ihn auf.

Der Erzbischof von Miami, Thomas Wenski, äußerte sich derweil ablehnend zur Hetze Trumps und seines katholischen Vize-Kandidaten J.D. Vance gegen haitianische Einwanderer in Springfield (Ohio). Trump hatte kürzlich in der Präsidentschaftsdebatte das Gerücht verbreitet, illegal eingereiste Migranten würden in der Stadt Katzen, Hunde und Gänse der Einheimischen stehlen und essen. Belastbare Belege gibt es dafür nicht. Wenski wies die Behauptung zurück und verteidigte die Einwanderer als hart arbeitende Menschen. Sie seien nicht illegal in den USA, sondern hätten einen legalen Aufenthaltsstatus. Die Katholiken des Landes rief der Geistliche auf, sich entschieden gegen Fremdenhass zu stellen.

Nachdem sich das Haustier-Gerücht rasant verbreitet hatte, gingen in Springfield Bombendrohungen gegen öffentliche Einrichtungen ein. Auch katholische Hilfseinrichtungen Ohios berichteten über Hassanrufe. Der republikanische Gouverneur des Bundesstaates, Mike DeWine, selbst ein Katholik, hielt es für angebracht, die Äußerungen von Trump und Vance als "Müll" zurückzuweisen.

Polarisierung außer Kontrolle?

Eine Spaltung der Wählerschaft zeigt sich auch bei anderen Religionsgemeinschaften. Laut der Pew-Umfrage unterstützen 82 Prozent der weißen Evangelikalen und 58 Prozent der übrigen weißen Protestanten Trump. Harris dagegen erhält Unterstützung von 86 Prozent der schwarzen Protestanten, 85 Prozent der Atheisten und 65 Prozent der jüdischen Wählerschaft.

Die gesellschaftliche Polarisierung im US-Wahlkampf scheint unterdessen zusehends außer Kontrolle zu geraten. Zu Wochenbeginn bestimmt ein mutmaßlicher weiterer Attentatsversuch auf Trump die Schlagzeilen. Die Bundespolizei FBI geht davon aus, dass ein Mann den Ex-Präsidenten beim Golfspielen mit einem Sturmgewehr erschießen wollte. Der Vorsitzende der katholischen Bischöfe in den USA, Erzbischof Timothy Broglio, hatte sich schon nach dem misslungenen Attentat in der Kleinstadt Butler Mitte Juli zu Wort gemeldet. Damals rief er dazu auf, trotz aller politischen Differenzen "Wege des Friedens und der Versöhnung einzuschlagen". Bisher verhallt der Appell weitgehend ungehört.

Von Bernd Tenhage (KNA)