Seit 65 Jahren verheiratetes Ehepaar: "Wir beten täglich miteinander"
Jeden Tag zu beten, das gehört für Walburga Stufler zu ihrem Leben dazu. Abends sagt sie dann meist laut: "Danke, lieber Herrgott, dass wir den Tag wieder so gut miteinander geschafft haben". Die 90-Jährige ist seit 65 Jahren mit ihrem Vitus verheiratet. Ihr Ehemann ist nur zwei Jahre jünger als sie. Aufgewachsen ist Walburga Stufler mit vier Geschwistern in Tauberfeld in der Nähe von Eichstätt. Ihre Eltern waren "gut katholisch", erzählt sie. "Wir haben immer viel zusammen gebetet." Schon als Kind ging sie gerne in die Kirche. Eine ihrer Schwestern wurde später sogar Ordensfrau und trat bei den Franziskanerinnen ins Kloster Schönbrunn ein.
Für sie selbst wäre ein Leben im Kloster allerdings nichts gewesen, sagt die 90-jährige Rentnerin. Als sie damals in der Kirchengemeinde ihren Mann kennenlernte, wusste sie gleich, dass er "der Richtige" ist. Walburga Stufler lacht. Die beiden Eheleute haben 1959 in der Adelschlager Kirchengemeinde geheiratet und dort in der Pfarrkirche ihre drei Kinder taufen lassen. Diese Kirche wurde später abgerissen und wieder neu aufgebaut. Noch heute geht das Ehepaar regelmäßig dorthin in den Gottesdienst. Oder die beiden fahren mit dem eigenen Auto nach Eichstätt und gehen in die dortige "Kapuzinerkirche", die eigentlich Heilig-Kreuz-Kirche heißt. Neben dieser Kirche gibt es ein Kloster und einen Friedhof. Für die Pflege der 18 Gräber auf diesem Friedhof ist das Ehepaar Stufler verantwortlich. Die beiden machen das seit Jahren und vor allem ehrenamtlich. Walburga Stufler hat das Ehrenamt von ihrer Cousine übernommen. Ihre Cousine hieß Luise Schmid und war viele Jahre lang Haushälterin bei Bischof Gregor Maria Hanke in Eichstätt. Deshalb hat sie Cousine sogar im Bischofshaus gewohnt. Gleich in der Nähe des Bischofshauses ist das ehemalige Kapuzinerkloster. Weil die Cousine so viel zu tun hatte, denn zusätzlich zu ihren Aufgaben im Bischofshaus arbeitete sie auch für die Kapuziner, versorgte deren Haushalt, pflegte den Nutzgarten und den Klosterfriedhof, half das Ehepaar Stufler ihr immer wieder aus. "Ich weiß gar nicht, wie meine Cousine das alles allein geschafft hätte", überlegt Walburga Stufler.
So oft es ging, unterstützten die beiden deshalb die Verwandte bei ihren Aufgaben. Fast täglich telefonierten sie miteinander, um zu besprechen, wo ihre Hilfe benötigt wurde. Meist war das Ehepaar im Klostergarten tätig, half beim Kirchenputzen, beim Aufstellen vom Christbaum und der Krippe für die Weihnachtszeit oder beim Pflegen des Friedhofs. Die Cousine war immer froh über diese Unterstützung, weiß Walburga Stufler. Ihre Verwandte war ein sehr fleißiger Mensch, räumt sie ein, "und die beiden "ein gutes Team." Ihre Cousine habe ganz für die Kirche gelebt und viel Gutes getan. Auch finanziell habe sie die Kapuzinerpatres früher unterstützt. "Wenn die nicht in den Himmel gekommen ist, dann gibt es keinen Himmel", ist Stufler überzeugt. Voriges Jahr verstarb ihre Cousine im Alter von 82 Jahren. Das war sehr traurig, erzählt Walburga Stufler. Seitdem und da die Kapuzinerpatres vor rund zehn Jahren weggingen und in ein anderes Kloster zogen, hat sie gemeinsam mit ihrem Ehemann die Pflege des Klosterfriedhofs übernommen. "Das war selbstverständlich für uns", betont die 90-Jährige. Je nach Jahreszeit kaufen die beiden dann neue Pflanzen für die Gräber ein, setzen diese in die Erde, jäten, schneiden das Gras und gießen die Blumen. In den heißen Sommermonaten fährt das Ehepaar sogar mehrmals und meist früh am Morgen zum Friedhof nach Eichstätt, um die Blumen sorfgfältig zu gießen. Weil die ehemalige Kapuzinerkirche bei Touristen und Wallfahrern sehr beliebt ist, ist es Walburga Stufler wichtig, dass alles ordentlich am Friedhof aussieht.
Das Geld für die Friedhofsblumen und Grabkerzen erhalten die beiden aus der Kasse der Kirchenstiftung der Gemeinde. Mitarbeitende dieser Stiftung übernehmen auch das Rasenmähen am Friedhofsgelände und das Schneiden der Obstbäume im Klostergarten. Seit ein paar Jahren ist das ehemalige Kapuzinerkloster wieder von Ordensmännern bewohnt. Aktuell sind es vier Passionistenpatres, die dort leben. Sie kümmern sich selbst um ihren Nutz- und Obstgarten. Dass sie sich gemeinsam mit ihrem Ehemann um den Klosterfriedhof kümmere, freue die Ordensmänner schon, weiß Walburga Stufler. "Solange es gesundheitlich geht, machen wir das weiter." Die Rentnerin hält sich gerne am Friedhof des Klosters auf. Wenn sie von Grab zu Grab geht, denkt sie an die Kapuziner, die dort begraben sind. Manche von ihnen kannte sie persönlich. Sie betet dann ein Vaterunser und setze sich auf eine Bank am Friedhof. Manchmal überlege sie, wer einmal ihr Ehrenamt übernehmen werde. Noch hat sich niemand dazu bereit erklärt.
Erst kürzlich wurde das Ehepaar Stufler vom Eichstätter Bischof für ihr jahrelanges kirchliches Engagement geehrt. Sie bekamen von Bischof Gregor Maria Hanke die Bistumsmedaille in Silber bei einer Feier persönlich überreicht - als Wertschätzung für ihren Dienst an der "Erinnerungskultur". Darauf waren die beiden schon ein wenig stolz. Den Bischof kennen die beiden übrigens schon länger. "Durch meine Cousine", erklärt die 90-jährige Walburga Stufler. Dadurch dass ihre Cousine bei Bischof Hanke angestellt war, kamen die beiden Eheleute immer wieder in Kontakt mit ihm. "Wir sind froh, dass wir ihn haben und hoffen, dass wir ihn noch lange haben", sagt Stufler und verrät, dass sie schon öfters in der Hauskapelle im Bischofshaus war. Denn das Ehepaar Stufler wird immer wieder vom Bischof persönlich zu Gottesdiensten eingeladen. So wie in diesem Jahr an Mariä Himmelfahrt im August. "Wir haben die Messe mit dem Bischof gefeiert und dann hat er unsere Kräuterbüschel gesegnet", berichtet Frau Stufler freudig. Diese Andachten mit dem Bischof würden ihr viel Kraft für den Alltag geben, wiederholt sie mehrmals.
"Mit Gottes Hilfe sind wir beide so alt geworden"
Überhaupt beten sie und ihr Mann täglich miteinander. In der Kirche "unser Kirchgebet", morgens und abends jeder für sich und am Tisch "unser Mittagsgebet", erklärt die Rentnerin. Sie denke beim Beten auch an ihre verstorbene Cousine und alle Toten aus der Familie. Sie habe es von ihren Eltern gelernt, "dass man füreinander betet". Den Krieg in Deutschland hat sie und ihr Mann als Kind miterlebt, damals in den 1940er Jahren. "Es war eine schlimme Zeit", blickt Stufler zurück. Ihr Bruder ist im Krieg gestorben. Der Glaube habe ihr damals viel Trost gegeben. Wenn sie heute die Nachrichten im Fernsehen sehe, mache sie sich Sorgen um die Zukunft. Mit dem Herrgott schimpfe sie aber nie. Wie es kommt, so nimmt man das Leben halt an, sagt sie.
Im November feiert sie gemeinsam mit ihrem Mann ein besonderes Ehejubiläum. Die beiden sind 65 Jahre miteinander verheiratet. "Mit Gottes Hilfe sind wir beide so alt geworden", ist Walburga Stufler überzeugt. Den Ehrentag will das Ehepaar mit den Kindern, Enkeln und Urenkeln verbringen. "Wenn alle kommen, ist das unsere größte Freude." So eine große Familie sei ein Geschenk, meint sie. Nun müsse sie aber weiter. Walburga Stufler möchte noch nach dem Grab ihrer Eltern auf dem Friedhof der Gemeinde schauen. Seit Jahren pflegt sie es mit viel Liebe. Wenn sie eines Tages dort einmal ihre letzte Ruhstätte finden wird, wünscht sie sich, dass sich dann irgendjemand genauso liebevoll darum kümmert.