Vatikan-Richter erklären erste Kardinal-Verurteilung
Das Vatikan-Gericht hat sein Urteil gegen den italienischen Kardinal Angelo Becciu erklärt. Im Dezember war der heute 76-Jährige als erster Kardinal im Vatikan zu einer Haftstrafe verurteilt worden – wegen Veruntreuung und schweren Betrugs. In der am Mittwoch veröffentlichten Urteilsbegründung erklärten die Richter, dass die Absicht des Handelnden für den Straftatbestand der Veruntreuung völlig irrelevant sei. Er gelte auch dann, wenn die Person nicht zu ihrem eigenen Vorteil handele.
Weiter wiesen die Richter auf die kirchenrechtlichen Vorschriften zur Verwaltung des kirchlichen Vermögens hin, die "mit der Sorgfalt eines guten Vaters" zu führen sei und in erster Linie dem Vermögenserhalt diene. Die Investitionen des vatikanischen Staatssekretariats von rund 200 Millionen US-Dollar in einen hochspekulativen Fond stellten da zweifellos eine "unerlaubte Nutzung" der Gelder dar. Zumal die Summe etwa einem Drittel des Gesamtvermögens des Staatssekretariats entsprach.
Ab 2014 hatte das Staatssekretariat das Geld in einen risikoreichen Fonds eines Investmentberaters investiert. Ein Teil des Geldes aus dem Fonds floss in den Ankauf einer Londoner Luxusgeschäftsimmobilie. Der Vatikan erwarb 46 Prozent der Eigentumsrechte. Den Rest – also die Mehrheit – hielt der Investmentberater. Ab 2018 wollte sich der Vatikan aus dem hochspekulativen Geschäft herausretten. Ohne Erfolg: Am Ende entstand ein Schaden von rund 150 Millionen Euro. Ein jahrelanger Prozess folgte, an dessen Ende neun Angeklagte verurteilt wurden.
Unerlaubte Klüngelei im Vatikan
Nach Urteil der Richter hatte sich Becciu neben der Investition auch mit der Überweisung von vatikanischen Geldern an eine von seinem Bruder geleitete Wohltätigkeitsorganisation der Veruntreuung schuldig gemacht. Unter Missachtung der angegebenen und speziell auf die Regelung von möglichen Interessenkonflikten ausgerichteten Vorschriften habe Becciu öffentliche Gelder, über die er aufgrund seines Amtes direkt verfügen konnte, zugunsten von mit ihm verwandten Personen ausgezahlt – und das zusätzlich ohne schriftliche Genehmigung.
Weiter war Becciu wegen schweren Betrugs erstinstanzlich für schuldig befunden worden. Hunderttausende Euro flossen vom Staatssekretariat an eine angebliche geopolitische Expertin, für die Befreiung einer entführten Ordensfrau. Die Empfängerin des Geldes nutzte es allerdings für Luxusgüter. Laut Gericht verwendete Becciu eine zuvor erhaltene Genehmigung für die Geiselbefreiung, um die Auszahlungen zu begründen – zu einem Zeitpunkt, als er selbst schon nicht mehr im Staatssekretariat beschäftigt war.
Obwohl Becciu laut Richtern von der zweckfremden Verwendung der Gelder wusste, unterhielt er "weiterhin völlig freundschaftliche Beziehungen, wenn nicht sogar echte Vertrautheit" zu besagter Frau. Die Beziehungen seien unvermindert weitergegangen, sogar "nachdem er mit der Vorladung zur Gerichtsverhandlung (1. Juli 2021) und der anschließenden Einreichung der Akten einen dokumentarischen Beweis für diese Ausgaben hatte". (KNA)