Kirchen im Israel-Palästina-Konflikt: Hoffnungs-Räume offenhalten
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Er sei nur noch müde, sagt mir ein Bekannter aus der jüdischen Gemeinde, als ich ihn danach frage, wie es ihm gehe. Seit dem 7. Oktober 2023 schlafe er schlecht und hänge ständig am Handy, um Kontakt mit Angehörigen in Israel zu halten. Und wie viele andere aus der jüdischen Gemeinschaft fühle auch er sich von der nicht-jüdischen Umgebung alleine gelassen. Fast die gleiche Antwort erhalte ich übrigens von einem Freund, dessen Familie aus Palästina stammt und der sich um Menschen in Gaza sorgt. Auch er beklagt das Schweigen und das mangelnde Mitgefühl in der deutschen Gesellschaft. Gleichzeitig erlebe ich in meiner nächsten Umgebung und auch bei mir selbst diese Sprachlosigkeit. Viele verharren nun seit über einem Jahr im Schweigen. Sie haben nach wie vor Angst, sich falsch zu verhalten oder sagen, der Israel-Palästina-Konflikt sei ja viel zu komplex. Das mag sein. Aber Mitgefühl zeigen kann ich auch, ohne die komplexe Politik zu verstehen.
Kurz nach dem 7. Oktober 2023 gab der israelische Historiker Yuval Harari ein Interview, in dem er über die Aussichtslosigkeit der in Trauer und Hass verstrickten Menschen in Israel und Palästina sprach. Mitten im Interview forderte er die Außenstehenden und explizit die Deutschen dazu auf, von einer Zukunft zu sprechen, in der Platz für Frieden ist. Gerade weil diese Vorstellung für Menschen in Israel oder in Palästina derzeit nicht möglich sei, sollten Menschen, denen es gut gehe, diesen Raum für den Frieden stellvertretend offenhalten. Dass Deutsche und Israelis heute befreundet seien, nur wenige Jahrzehnte nach der Schoa, sieht Harari dabei als Hoffnungszeichen: "Wenn das möglich ist, ist alles möglich."
Vielleicht könnte genau dies ein Beitrag der christlichen Kirchen in Deutschland sein, die sich Menschen in Israel und in Palästina besonders verbunden fühlen: Mitgefühl und Solidarität mit unschuldig leidenden Menschen zeigen und Hoffnungs-Räume für die Möglichkeit eines friedlichen Zusammenlebens freihalten, in Gottesdiensten genauso wie in Veranstaltungen, die zum Austausch und gemeinsamen Nachdenken einladen. Auch auf die Gefahr hin, dass es dabei zu Missverständnissen oder Fehlern kommen kann.
Der Autor
Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.
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Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.