Finger auf die Wunden gelegt
Die Südamerika-Reise von Papst Franziskus hatte es in sich! Nicht nur für den 78-Jährigen selbst, der einerseits eine unglaubliche Energie an den Tag legte, andererseits aber manchmal erschöpft wirkte und ärztlich beobachtet werden musste. Nein, ich meine die Botschaften, die der Papst in Ecuador, Bolivien und Paraguay ausgesendet hatte. Er hat seine Finger in so gut wie jede Wunde gelegt – auch in meine.
Da waren einerseits die "politischen" Aussagen, etwa beim "Kongress der Volksbewegungen" in Bolivien: Da ging er mit kapitalistischen Strukturen hart ins Gericht und forderte tiefgreifende Veränderungen im globalen Wirtschaftssystem. Dies tat er aber nicht mit so einer simplen Weltsicht wie etwa Präsident Evo Morales bei derselben Veranstaltung. Anstatt auf andere zu zeigen, rief der Papst die Teilnehmer auf, die nötigen Veränderungen selbst in die Hände zu nehmen. Er nahm in Kauf, von den links stehenden Volksbewegungen weniger Applaus als Morales zu bekommen, als er appellierte, sich neben der Strukturveränderung auch um eine Umkehr der Herzen zu bemühen.
Linktipp: Papstreisen
Als Oberhaupt der katholischen Kirche absolviert Papst Franziskus regelmäßig Reisen innerhalb Italiens und in andere Länder. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zu den Reisen des Heiligen Vaters.Obwohl sich nach der Veranstaltung einige fragten, ob Franziskus "ein Linker" sei, ließ der Papst keinen Zweifel daran, dass er rein aus christlicher Gesinnung handelt und es ihm um die Menschen, nicht um ideologische Konstrukte geht. Seine Kritik an Morales Führungsstil wurde umso deutlicher, als der Pontifex an seiner nächsten Station die konservative Regierung Paraguays lobte und Ideologien kritisierte. Auch der Besuch in Boliviens schlimmster Gefangenenstadt Palmasola und die Kritik über diesen rechtsfreien Raum dürfte Morales nicht gefallen haben. In dem überfüllten Gefängnis sitzen die meisten Häftlinge ohne Urteil ein, einige haben sogar ihre Kleinkinder bei sich.
Dann beeindruckte Franziskus auch mit seinen innerkirchlichen Äußerungen: Ähnlich wie vor ihm Johannes Paul II. bat er um Vergebung für die während der Kolonialzeit im Namen der Kirche begangenen Verbrechen. Er erwähnte aber auch, dass die indigene Bevölkerung im 17. Jahrhundert zumindest in Paraguay in den Siedlungsbezirken der Jesuiten ohne Hunger und Unterdrückung leben konnte. Es gibt also Modelle für gerechtes Zusammenleben der Menschen, wollte er damit sagen.
Handeln im Sinne Jesu
Von den paraguayischen Katholiken – aber sicher auch von uns allen – forderte der Papst in seiner Abschlussmesse mehr Einsatz und Solidarität für Arme, Randgruppen und Nichtglaubende. Sein persönliches Statement setzte er vor dem Gottesdienst, als er ein riesiges Armenviertel besuchte und auf ungeteerten Straßen die Slumbewohner umarmte.
Damit – und mit seiner Unerschrockenheit, ein von den Insassen selbstverwaltetes Gefängnis zu besuchen – hat Franziskus gezeigt, dass er der Stellvertreter Jesu auf Erden ist. Denn ebendies hat der Sohn Gottes von den Gläubigen verlangt. Dieser Einsatz des 78-Jährigen hat mich nicht nur beeindruckt, sondern auch etwas beschämt. Ich hoffe, dass Franziskus mich und möglichst viele andere Christen als Vorbild zum Handeln im Sinne Jesu bewegt.