Nicht mit Kirchenrecht vereinbar – Grenzen bischöflicher Gestaltungsmacht

"Willkür": Jurist kritisiert Woelkis Pläne für Pfarreifusionen

Veröffentlicht am 08.11.2024 um 10:19 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Weniger Priester und weniger Geld: Im Erzbistum Köln sollen Pfarreien zu größeren Einheiten fusionieren. Ein Jurist kritisiert dieses Vorgehen von Kardinal Woelki. In vielen anderen Bistümern gibt es ähnliche Pläne.

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Ein Jurist hält die geplanten Pfarreifusionen im Erzbistum Köln und ähnliche Pläne in anderen Bistümern für nicht vereinbar mit dem Kirchenrecht. Günter Winands wirft dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in der Fachzeitschrift "Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter" (10/2024) vor, dass er mit seiner Reform "angesichts grob fehlerhafter und sachwidriger Rechtsfindung die Schwelle zur Willkür" überschreite.

Winands, früher Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Schulministerium und Amtschef bei der Kulturbeauftragten der Bundesregierung, lebt in einer von Auflösungsplänen betroffenen Pfarrei im rheinischen Bornheim. Seit seinem Ruhestand ist der 68-Jährige Lehrbeauftragter für Kulturpolitik an der Universität Bonn.

Weit unter 100 Großpfarreien

Woelki hatte im vergangenen Jahr entschieden, die derzeit 514 Pfarreien wegen der rückläufigen Zahl von Priestern und Finanzen zu weit unter 100 Großpfarreien zusammenzulegen. 67 Pastorale Einheiten, die aus mehreren Pfarreien bestehen, wurden bereits gebildet. Diese sollen bis Ende 2032 jeweils zu einer einzigen Pfarrei fusioniert werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass es in einer Einheit zwei oder drei Zusammenschlüsse zu Pfarreien gibt, die dann aber rechtlich untereinander einen Kirchengemeindeverband bilden. Ähnliche Pläne wie in Köln gibt es in vielen anderen deutschen Bistümern.

Laut Winands steht es nach dem Kirchenrecht einem Diözesanbischof zwar zu, Pfarreien zu errichten, aufzuheben oder zu verändern. Doch aus weiteren kirchenrechtlichen Bestimmungen und vatikanischen Dokumenten ergäben sich Grenzen der bischöflichen Gestaltungsmacht. Dazu gehöre insbesondere eine 2020 veröffentlichte Instruktion des vatikanischen Dikasteriums für den Klerus. Diese sei erlassen worden als Reaktion auf das von Rom gestoppte "Mega-Fusionsprojekt der Diözese Trier", die aus rund 850 Pfarreien 35 "Pfarreien der Zukunft" machen wollte.

Priestermangel kein angemessener Grund

Danach sind Winands zufolge Überlegungen allgemeiner Art wie der bloße Mangel an Klerikern oder knapper werdende Haushaltsmittel keine angemessenen Gründe, um Pfarreien aufzuheben. Vielmehr sei ein solcher Schritt nur dann legitim, wenn die Gründe mit der betroffenen Pfarrei direkt zusammenhingen. Dies verlange eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung statt einer schematischen Prüfung. In Woelkis Fusionsmodell aber würden "am grünen Tisch" unterschiedslos alle Pfarreien dem Untergang preisgegeben, selbst wenn sie ein funktionierendes Gemeindeleben aufwiesen.

Den Gemeinden vor Ort werde gezielt der nach staatlichem Recht gewährte Status als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" genommen. Die bisherigen Kirchenvorstände würden aufgelöst. Dadurch würden auch die bisherigen Pfarrvermögen der örtlichen Kontrolle entzogen. Die Gläubigen vor Ort mutierten dadurch zu "Antrags- und Bittstellern in überdimensionierten Großpfarreien", kritisierte Winands weiter. (KNA)