Wie die Gemeinde Menschen zusammenbringt

Knödelchaos in der Kirchenküche

Veröffentlicht am 28.12.2024 um 12:00 Uhr – Von Meike Kohlhoff – Lesedauer: 
Orte des Ungewissen: Teil III

Siegburg ‐ Stricken, Basteln und Kochen: Viele Pfarrgemeinden bieten allerlei Workshops an. Aber lernt man da auch wirklich etwas? Unsere Redakteurin Meike Kohlhoff ist beim Knödelherstellen ein hoffnungsloser Fall – und begibt sich auf ein Abenteuer irgendwo im Nirgendwo.

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Verzweifelt schaue ich an mir herunter. Eine Hand steckt in einer Pampe aus Wasser und Stärke, die andere hält ein Geschirrtuch mit triefendem Kartoffelmatsch. Kartoffelstückchen zieren meine Arme und ich würde mich wundern, wenn es das Mehl nicht schon bis in meine Haare geschafft hätte. Ich stehe in einer kleinen Gemeindeküche und suche mit den Augen nach dem Rezept, das ich irgendwo zwischen Eiern, Kräutern und der Kartoffelpresse achtlos liegen gelassen habe. 

Knödel und ich – das ist nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Letztes Jahr zu Weihnachten habe ich es das letzte Mal versucht: Ich war voller Zuversicht, hatte ich das Rezept doch aus einer per Post gelieferten Kochbox, in der alle Zutaten schon enthalten waren. Diesmal musste es einfach klappen. Was soll ich sagen: hat es nicht. Am Ende des Abends waren die Knödel eher zu einer verwässerten Suppe zusammengefallen, die Füllung hatte sich komplett verabschiedet und ich habe heimlich die Fertigknödel aus der Packung genommen. 

Immer einen Probeknödel kochen!

Zum Glück wird jetzt alles besser. Oder? Nachdem ich eine längere Fahrt durch den Wald hinter mich gebracht hatte und wir in einem Gemeinschaftsraum neben der Kirche mit dem Charme der 80er Jahre in Gruppen für verschiedene Knödelsorten eingeteilt wurden, ging es endlich los: Kartoffeln wiegen, schälen, stampfen und das Wasser hinauspressen wird zu unserem Mantra in der nächsten Stunde. Ich lerne auch direkt ein paar Tricks: "Macht immer einen Probeknödel", "Die Knödel dürfen nicht zu nass sein" und "Das Wasser darf auf keinen Fall kochen!", wird uns zugerufen.  

Zusammen mit einer netten Mitknödlerin erfinde ich schließlich das Prinzip des Fließbandknödels. Ab da läuft es besser: Sie formt einen flachen Kartoffelfladen, ich ein Leberwurstbällchen (das haben meine Katzen noch Tage später gerochen) und dann schließt sie das Konstrukt zu einem Knödel. Zwischenzeitlich sind wir uns ziemlich sicher, dass wir einen Foodtruck mit dem Namen "Die wilde Knödelei" eröffnen werden. Da kannten wir allerdings das Ergebnis unseres Knödelversuchs noch nicht… 

Knödel
Bild: ©katholisch.de/mkh

Rohe Knödel liegen auf Tellern in der Gemeindeküche.

Allgemein sind alle anderen Teilnehmer sehr nett. Ich hatte vorher Bedenken, dass sich alle schon kennen und ich alleine knödeln muss, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Ich bin nicht die einzige Neue und auch die Alteingesessenen beziehen uns in die Gespräche mit ein. Ich merke während des ganzen Abends, wie wichtig solche Veranstaltungen sind. Hier treffen Menschen völlig unabhängig von der sozialen Stellung oder ihrer Herkunft aufeinander, die sich sonst vermutlich nie begegnet wären. Gerade in Zeiten von wachsender Einsamkeit ist es wichtig, dass es diese niedrigschwelligen Angebote gibt, die Menschen zusammenbringen. Während wir auf die Knödel warten, die gerade ein Bad im heißen Wasser nehmen, spreche ich mit den Organisatoren. Die gute Stimmung hier liegt nicht nur am Wein, der die ganze Zeit über kostenlos ausgeschenkt wird – glaube ich zumindest. Viel hängt auch mit der Herzlichkeit der Gastgeber zusammen, die die Tische vorher schön dekoriert und eingekauft haben. Ich habe großen Respekt vor ihrem Einsatz. Sie berichten mir stolz, dass Veilchendienstag beim Seniorenkarneval die Bude brennt und laden mich herzlich dazu ein, denn auch unter jungen Leuten – ich bin 33 Jahre alt – sei dieser Termin begehrt.

Das große Knödelfinale

Irgendwann ist es dann so weit: Die Knödel werden verköstigt. Ich schaue mich gespannt am Tisch um. Alle äußern sich zufrieden über die verschiedenen Sorten. Kurz verspüre ich so etwas wie Stolz, aber dann höre ich es und das aufkeimende Gefühl in meinem Bauch bricht in sich zusammen: "Außer die mit der Leberwurst", "Ja, die Konsistenz ist bei denen so komisch", "Waren die mit der Leberwurst nicht lang genug drin?". Ich probiere selbst und merke: gar nicht mal so gut. Die Knödel sind zwar nicht zerfallen, aber eine Knödelmeisterschaft werde ich damit auch nicht gewinnen. Ich rede mir ein, dass sie einfach zu lange bei Raumtemperatur herumstanden, bevor wir sie zu Wasser gelassen haben.  

Mit ein paar Knödeln in einer Dose im Gepäck verabschiede ich mich nach einem langen, aber sehr schönen Abend und nehme mir vor, öfter solche Veranstaltungen in Gemeinden zu besuchen (auch wenn ich nicht glaube, dass es der Seniorenkarneval wird). Ich schaue draußen auf der dunklen und einsamen Straße noch einmal zurück und sehe die erleuchteten Fenster des Gemeindehauses. An nur einem Abend ist dieser Ort des Ungewissen für mich ein wenig heimisch geworden. Selbstgemachte Knödel wird es dieses Jahr zu Weihnachten dennoch nicht geben.

Von Meike Kohlhoff