Präsident Trump ist für den Vatikan kein Gegner
Protokollgemäß wartet der Vatikan nach einer US-Präsidentschaftswahl mit dem Glückwunsch in Richtung Washington bis zur offiziellen Amtseinführung im Januar. Doch es gibt Ausnahmen. So gratulierte Papst Benedikt XVI. dem frisch gewählten Präsidenten Barack Obama schon am 5. November 2008 – und bezeichnete dessen Wahl, vermutlich dieser der erste schwarze US-Präsident war, als historisch. Später kühlte das Verhältnis zwischen dem Vatikan und dem einstigen Hoffnungsträger der Demokratischen Partei merklich ab, als die Divergenzen etwa beim Thema Abtreibung immer deutlicher zutage traten.
Bei der vermutlich nicht minder historischen Wieder-Wahl von Donald Trump in der vergangenen Woche hielt sich Benedikts Nachfolger wieder ans eingeübte Protokoll und verschob das Gratulieren auf den amtlichen Termin im Januar. Anders sein Chefdiplomat, Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Er zeigte sich zwei Tage nach der US-Wahl am Rande einer Veranstaltung in Rom ungewöhnlich auskunftsfreudig. Neben allgemein gehaltenen guten Wünschen erinnerte Parolin daran, dass Weisheit die höchste Tugend für alle Regierenden sei.
Gemeinsamkeiten in der Außenpolitik?
Sodann streifte Parolin eine ganze Reihe von Themen der internationalen Politik, in denen sich der Vatikan vom neuen Präsidenten eine positive Rolle wünscht. Er hoffe, dass Trump beitragen könne zu "Entspannung und Befriedung in den aktuellen blutigen Konflikten dieser Welt", so Parolin. Eher skeptisch reagierte er auf Trumps Ankündigungen aus dem Wahlkampf, er werde die Kriege in der Ukraine und im Heiligen Land binnen 24 Stunden beenden. Er glaube nicht, dass der neue Präsident "einen Zauberstab" habe.
Zugleich zeigte er sich ergebnisoffen und sagte: "Warten wir ab, was er vorschlägt, sobald er im Amt ist." Die Wortwahl deutet an, dass es Übereinstimmungen geben könnte zwischen Trump, der einen Verhandlungsfrieden zwischen Kiew und Moskau erreichen will, und der vatikanischen Friedensidee für Osteuropa, die ebenfalls nicht auf einen Siegfrieden setzt.
Im Übrigen erinnerte Parolin daran, dass es auch in der ersten Präsidentschaft Trumps trotz Differenzen, etwa beim Thema Migration, stets ein konstruktives Miteinander gegeben habe. Tatsächlich ist der amtierende Apostolische Nuntius in Washington, der französische Kardinal Christophe Pierre, einer der wenigen Diplomaten, der von sich behaupten kann, dass er nach je einer kompletten Amtszeit Trump und Biden nun abermals eine Amtszeit Trump miterleben kann.
Neben Pierre, der voraussichtlich mindestens die erste Hälfte von Trumps erneuter Präsidentschaft noch begleiten wird, kommen nun zwei weitere kirchliche Führungspersönlichkeiten in den USA in den Blickpunkt. Der eine ist der Erzbischof von Washington D.C. Am Sitz von Regierung, Gesetzgebung und Höchstrichterlicher Rechtsprechung (letztere mit einem historisch hohen Katholikenanteil unter den Richtern des Supreme Court) spielt der Inhaber dieses Amtes traditionell eine herausgehobene Rolle – die sich einst ein Kardinal Theodore McCarrick unseligen Angedenkens zunutze machte.
Der derzeitige Amtsinhaber, Kardinal Wilton Gregory (77), wird in amerikanischen Medien als amtsmüde beschrieben. Mit dem noch amtierenden links-katholischen Präsidenten Joe Biden verband ihn ein Verhältnis kritischen Respekts. Einerseits warf der Oberhirte seinem prominentesten Gläubigen vor, er pflege einen "Cafeteria-Katholizismus", bei dem er sich nur jene Teile der kirchlichen Lehre herauspicke, die ihm zusagen. Auf der anderen Seite lobte er ihn als eifrigen Kirchgänger und verweigerte ihm wegen seiner liberalen Haltung zur Abtreibung nicht die Kommunion, wie andere US-Bischöfe dies am liebsten gesehen hätten.
Wie das Verhältnis des künftigen Washingtoner Erzbischofs zum künftigen Präsidenten Trump sein sollte, ist eine Frage, die nicht nur die Bischöfe in den USA bewegt. Am 11. Oktober waren die drei eher liberalen US-Kardinäle Cupich, Tobin und McElroy beim Papst. Die Vaticanisti des meist gut informierten US-Portals "The Pillar" vermuten, dass es bei dem überraschend anberaumten Gespräch am Rand der Weltsynode vor allem um den künftigen Erzbischof von Washington ging. Einer der Favoriten sei der 2022 vom Papst zum Kardinal beförderte Erzbischof von San Diego, Robert McElroy.
Ein Militärbischof als Schlüsselfigur
Die andere noch amtierende Schlüsselfigur ist der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Timothy Broglio, dessen Amtszeit turnusgemäß Ende 2025 nach drei Jahren ausläuft. Der konservative Oberhirte, ein ehemaliger Vatikan-Diplomat, ist zudem immerhin schon seit 2008 Militär-Erzbischof. Da Trump die amerikanischen Streitkräfte, die sich unter Obama und Biden eher vernachlässigt fühlten, wieder stärken will, dürften sich die beiden auch in diesem Punkt gut verstehen.
Dennoch achtete Broglio in seiner offiziellen Stellungnahme nach der Wahl sehr genau darauf, dass man ihm keine Parteinahme für Trump unterstellen konnte. Er schrieb: "Die katholische Kirche liegt mit keiner politischen Partei auf einer Linie, und auch die Bischofskonferenz ist es nicht. Ganz gleich, wer im Weißen Haus sitzt oder die Mehrheit im Capitol hat - die Lehre der Kirche bleibt unverändert." Dazu gehöre auch der Schutz der Ungeborenen, der Armen und der Fremden.
Mit diesen ausgewogenen Sätzen schloss sich Broglio nach der Wahl in etwa dem an, was Papst Franziskus drei Wochen vor der Wahl gesagt hatte. In einer "fliegenden Pressekonferenz" hatte er Mitte September die amerikanischen Katholiken ermutigt, bei der Wahl Güterabwägung zu betreiben und für den Kandidaten zu stimmen, den sie für das geringere Übel halten. Dabei kam die Kandidatin Harris wegen ihrer Befürwortung der freien Abtreibung allerdings um eine Nuance schlechter weg als Trump. Tatsächlich gingen einige Analysten und Kommentatoren nach der Wahl davon aus, dass die Demokraten mit ihrem betont offensiven Eintreten für ein unbegrenztes Abtreibungsrecht selbst dazu beigetragen haben könnten, dass mehr Katholiken als beim letzten Mal sich gegen sie entschieden.
Eine ganz eigene Erklärung für den überraschend klaren Sieg Trumps, der sämtliche "Swing States" zu seinen Gunsten kippen konnte, lieferte indes der New Yorker Kardinal Timothy Dolan. Er hatte kurz vor der Wahl die Kandidaten Harris und Trump zum traditionellen Wohltätigkeits-Dinner ins Waldorf-Astoria-Hotel eingeladen. Als Harris die Teilnahme ausschlug, unkte der Kardinal, sie sei bei dieser Entscheidung wohl schlecht beraten worden. Denn der letzte Präsidentschafts-Kandidat, der diese Einladung ausschlug, war der Demokrat Walter Mondale im Jahr 1984. Wenige Wochen später unterlag er dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan in einer krachenden Niederlage.