Charismatische Gruppen in Spanien beten für Befreiung der Vorfahren von Sünden

"Heilungsmessen" für Verstorbene: Bischöfe sprechen Machtwort

Veröffentlicht am 03.12.2024 um 15:58 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Bonn/Madrid ‐ In Spanien haben katholische Gruppen mit Bezug zur charismatischen Bewegung "Heilungsmessen" für Verstorbene gefeiert. Dem haben die Bischöfe des Landes nun einen Riegel vorgeschoben. Sie warnen vor einem falschen Verständnis der Sakramente.

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In der Bibel wird an mehreren Stellen berichtet, dass es Sünden gibt, die von einer Generation an die folgenden Generationen weitergegeben werden. "Er sucht die Schuld der Väter bei den Söhnen und Enkeln heim, bis zur dritten und vierten Generation", heißt es etwa im Buch Exodus (Ex 34,7) über Gott. In einigen Freikirchen, Pfingstkirchen und Gemeinschaften der charismatischen Bewegung, gibt es deshalb Heilungsgebete für verstorbene Vorfahren oder sogenannte "Stammbaumheilungen". Sie sollen das Seelenheil der eigenen Eltern, Großeltern und Verwandten garantieren. Doch auch Krankheiten, die angeblich durch auf die Familie geladene Schuld aufgrund von Sünden der Vorfahren entstanden sein sollen, können nach diesem Verständnis durch Gebete um Vergebung für die Ahnen geheilt werden.

Bischöfe veröffentlichen Dokument zu Heilungsmessen

Auch in der katholischen Kirche gibt es Gruppen der charismatischen Bewegung. Diese Strömung im Christentum kam verstärkt in den 1960er-Jahren auf und ist durch eine besondere Betonung der Gaben des Heiligen Geistes gekennzeichnet. Eine große Glaubensbegeisterung, eine tiefe Gotteserfahrung und eine enge Orientierung an der Bibel sind charakteristisch für die charismatische Bewegung. Für ihre Anhänger spielen in der Heiligen Schrift bezeugte Phänomene wie die Zungenrede, also Mitteilungen des Heiligen Geistes in fremden Sprachen durch einzelne Gläubige, eine große Rolle. Auf diesen Überzeugungen gründet auch die Charismatische Erneuerung innerhalb der katholischen Kirche. Doch in einzelnen katholischen charismatischen Gruppen herrscht die Überzeugung vor, dass es Schuld gibt, die intergenerationell weitergegeben wird – und das ist ein Problem, wie eine Stellungnahme der Spanischen Bischofskonferenz nun aufzeigt.

In dem Ende November veröffentlichten Dokument mit dem Titel "Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht" (Lk 1,50), das von der Glaubenskommission der Bischofskonferenz veröffentlicht wurde, verurteilen die spanischen Bischöfe Heilungs- und Vergebungsgebete für Verstorbene scharf. Der Grund für die Klarstellung der Bischöfe sind auch von katholischen Gruppen mit Bezug zur Charismatischen Bewegung in Spanien gefeierte "Heilungs- und Befreiungsmessen". Diese seien nicht in den liturgischen Büchern der Kirche vorgesehen und dürften nicht gefeiert werden. Die Bischöfe rufen charismatische Katholiken in ihrem lehramtlichen Papier eindringlich dazu auf, von diesen Riten Abstand zu nehmen, denn sie würden die Gläubigen "von der Tradition und vom Lehramt der Kirche" entfernen. "Wir möchten darauf hinweisen, dass niemand sich fremde Sünden zur Last legen kann." Vielmehr sei jede und jeder für das eigene Leben und die eigene Schuld verantwortlich.

Tauben am Himmel
Bild: ©Fotolia.com/ipopba

In der charismatischen Bewegung werden besonders die Gaben des Heiligen Geistes betont. Die Taube ist ein Symbol für ihn.

Damit erinnern die spanischen Bischöfe an die kirchliche Lehre, dass Sünde und Schuld immer persönlich verstanden werden müssen und nicht auf andere Personen oder Generationen übertragen werden können. So verhält es sich letztendlich auch mit der sogenannten Erbsündenlehre, die nach dem Glauben der Kirche durch den Sündenfall Adams im Paradies auf die Menschheit übergegangen ist. Die Erbsünde sei eine "Sünde" im übertragenen Sinn, heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche: "Sie ist eine Sünde, die man 'miterhalten', nicht aber begangen hat, ein Zustand, keine Tat." (Nr. 404) Zumal ein Christ durch die Taufe von dieser Sünde befreit werde.

Doch in der 1980er- und 1990er-Jahren gab es auch katholische Priester, die in ihren Schriften intergenerationelle Heilungen propagierten. So sah etwa der Claretianer-Pater John Hampsch eine Verbindung zwischen bestimmten Krankheiten und den von den Vorfahren begangenen Sünden. In seinem Buch "Healing your Family Tree" sprach er sich für Heilungspraktiken aus. Auch der Priester Robert DeGrandis äußerte sich ähnlich und trug zur Verbreitung dieser Haltung in der Charismatischen Erneuerung bei, wie es im Dokument der Spanischen Bischofskonferenz heißt.

"In kindlichem Gehorsam"

Die Oberhirten drücken in dem Papier ihre Sorge aus, dass die intergenerationelle Heilung "die persönliche Verantwortung für die Sünde und die menschliche Freiheit aufhebt, was die Beziehung zu Gott schädigen kann". Außerdem werde besonders das katholische Verständnis von Taufe und Eucharistie durch die Heilungsmessen infrage gestellt. Die Oberhirten verurteilen einen damit einhergehenden magischen und vereinfachenden Blick auf die Sakramente. Gleichzeitig drücken sie ihr Verständnis für die Gläubigen aus, die sich an diesen Befreiungsmessen für Verstorbene beteiligen: Diese Gebete würden aus guten Beweggründen gesprochen, mit dem Ziel, das Leid der Menschen zu lindern. Die Verbindung der Sakramente mit dem katholischen Glauben fremden Aspekten führe jedoch zu einem gefährlichen Synkretismus. Die Bischöfe raten den Gläubigen daher zum katholischen Brauch, für das Seelenheil der Verstorbenen Fürbitte zu halten und Messfeiern zu diesem Zweck zu bestellen – was jedoch nicht mit intergenerationellen Heilungen zu verwechselt werden dürfe.

Die Charismatische Erneuerung in Spanien hat die Klarstellung der Bischofskonferenz inzwischen begrüßt. Das Dokument der Bischöfe sei notwendig, um vor den Gefahren dieser Praktiken zu warnen, heißt es in einer Stellungnahme der Vereinigung, wie das Magazin "Vida Nueva" am Dienstag berichtete. Die Charismatische Erneuerung erklärte, die lehramtlichen Ausführungen "in kindlichem Gehorsam" anzunehmen. Man werde dafür beten, dass ihre Inhalte in den Gruppierungen der Bewegung in Spanien eingehalten würden. 

Von Roland Müller