Bischof Bätzing: Abtreibungsreform nicht durch den Bundestag peitschen
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) verlangt eine Debatte über die Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen, die der Komplexität des Themas angemessen ist. Vor der Beratung eines interfraktionellen Antrags zur Abtreibung im Deutschen Bundestag fordert der DBK-Vorsitzende, Bischof Georg Bätzing, die Parlamentarier auf, in der politischen Ausnahmesituation vor Neuwahlen keine so grundlegende Reform "durchzupeitschen". "Die angesprochenen grundsätzlichen Fragen bedürfen einer sachlichen Erörterung in einem normalen parlamentarischen Verfahren, in dem ausreichend Zeit für den gesellschaftlichen Diskurs und eine angemessene Auseinandersetzung außerhalb und innerhalb des Deutschen Bundestags bleibt", so Bätzing in der am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme.
Schon im Oktober hatte sich die DBK gegen eine Reform gewandt, nachdem verschiedene Verbände einen Vorschlag vorgelegt hatten, die Abtreibung nicht mehr im Strafgesetzbuch zu regeln. Der auf eine Initiative von Grünen und SPD zustande gekommene interfraktionelle Antrag "Versorgungslage von ungewollt Schwangeren verbessern" wird am Donnerstagabend erstmals im Bundestag beraten. Derzeit ist nicht absehbar, ob es vor den Neuwahlen noch zu einer Abstimmung über den Antrag kommen wird. Schwangerschaftsabbrüche sollen dem Entwurf zufolge bis zur zwölften Woche grundsätzlich rechtmäßig sein. Eine Beratungspflicht soll bleiben, allerdings ohne die derzeit geltende Wartezeit von drei Tagen bis zur Abtreibung. Außerdem sollen die Krankenkassen künftig die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs übernehmen.
Hoch problematischer Paradigmenwechsel
Bätzing befürchtet im Fall einer Verabschiedung des Gesetzesentwurfs, dass dadurch ein abgestuftes Lebensschutzkonzept in die Gesetzgebung Eingang finde, das auch Auswirkungen auf andere Rechtsbereiche habe: "Dies wäre ein hoch problematischer verfassungsrechtlicher und ethischer Paradigmenwechsel." Das Vorhaben nehme den Schutz des ungeborenen Lebens deutlich zurück, da die Beratung nicht mehr darauf abzielen dürfe, zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen: "Das aber war ein wesentlicher Baustein des geltenden Rechts zur Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht, ohne dabei – so sagt es heute schon das Gesetz – belehrend oder bevormundend zu sein."
Der DBK-Vorsitzende betonte in seiner Stellungnahme, dass sich ungewollt schwangere Frauen in einer sehr schwierigen Situation befinden. "Ihre Grundrechte sind angemessen zu wahren und sie verdienen die explizite Unterstützung von Staat und Gesellschaft durch Rat, Tat und Hilfe. Druck von außen, wirtschaftlicher Zwang oder soziale Not dürfen in einer Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft nicht den Ausschlag geben." Von diesem Konflikt sei auch das ungeborene Kind existenziell betroffen: "Staat und Gesellschaft müssen daher ihrer Schutzpflicht nachkommen, auf deren Wahrnehmung das Kind lebensentscheidend angewiesen ist", so Bätzing weiter.
Frauen sollen weder kriminalisiert noch stigmatisiert werden
In seiner Stellungnahme weist der Bischof den Vorwurf zurück, es gehe bei der bestehenden Rechtslage darum, Frauen, die einen Abbruch erwägen, zu kriminalisieren oder zu stigmatisieren. "Dass die §§ 218 ff. des Strafgesetzbuchs dies bewirken würden, ist ein Narrativ, das die geltende Regelung zum Schwangerschaftsabbruch verzerrend abbildet", so Bätzing. Bereits die geltende Regelung setze auf die Letztentscheidung der Frau und basiere auf dem Prinzip "Hilfe statt Strafe". Sie beinhalte keine Kriminalisierung des individuellen, beratenen Schwangerschaftsabbruchs: "Die Verortung im Strafrecht dient vielmehr dazu, das Bewusstsein vom verfassungsrechtlichen Rang des Rechtsguts des ungeborenen Lebens wachzuhalten."
Zuvor hatte sich bereits das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) für eine ausführlichere Debatte ausgesprochen. "Im Galopp will eine interfraktionelle Gruppe offenbar ein neues Gesetz noch vor der Neuwahl des Bundestags durchbringen", sagte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp am Donnerstagvormittag. "Das halte ich für fatal. Die Debatte um den Paragrafen 218 muss gesellschaftlich breit geführt werden."
In Deutschland sind derzeit Schwangerschaftsabbrüche gemäß § 218 StGB rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Abtreibungen aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung sind nicht rechtswidrig. (fxn)