Nächster Wechsel bei "kath.ch": Das Kirchenportal kommt nicht zur Ruhe

Schweizer haben in Deutschland für gewöhnlich den Ruf, ruhig und bedächtig zu sein und Konflikten eher aus dem Weg zu gehen. Für die Medienarbeit der katholischen Kirche in der Schweiz gilt das schon seit geraumer Zeit nicht mehr. In der jüngeren Vergangenheit geriet vor allem das kirchliche Internetportal kath.ch immer wieder in die Schlagzeilen. Mal gab es Streit über Art und Inhalt der Berichterstattung, mal sorgten personelle Entscheidungen für Unruhe.
So auch zu Beginn der vergangenen Woche: Ausgerechnet in der doch eigentlich als besinnlich geltenden Adventszeit warf der erst in diesem Frühjahr installierte kath.ch-Chefredakteur Christian Maurer das Handtuch – "auf eigenen Wunsch", wie es hieß. Wie der Schweizer Mediendienst "Klein Report" am Montag berichtete, sei die Situation im Katholischen Medienzentrum (KMZ) in Zürich, in dem kath.ch produziert wird, für Maurer "über die Monate immer untragbarer geworden". Der 62-jährige Journalist, der zuvor unter anderem stellvertretender Chefredakteur des Fachmagazins "Travel Inside" und Blattmacher beim "Tages-Anzeiger" gewesen war, wird den Angaben zufolge Ende Februar offiziell aus seinem Amt ausscheiden. Derzeit soll er bereits krankgeschrieben sein.
Kontroversen um kath.ch begannen 2020
Damit kommt kath.ch weiter nicht zur Ruhe. Laut "Klein Report" hat vorerst Nadia Omar aus dem Vorstand von kath.ch die betriebliche Leitung des Portals übernommen, "um einen möglichst reibungslosen Übergang gewährleisten zu können", wie der Mediendienst Livia Leykauf aus dem Vorstand des KMZ zitierte. Die redaktionellen Aufgaben würden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von kath.ch organisiert.
Begonnen hatten die Kontroversen rund um kath.ch im Jahr 2020. Damals übernahm der deutsche Journalist Raphael Rauch die Position des Redaktionsleiters und verschob die inhaltliche Ausrichtung des zuvor braven Portals schnell radikal Richtung Boulevard. Mit kirchenkritischen Artikeln und investigativen Recherchen löste der umtriebige Rauch insbesondere bei konservativen Katholiken und Bischöfen immer wieder Ärger aus. Doch auch nach Rauchs Abgang im März vergangenen Jahres wurde es nicht ruhiger. Im Gegenteil: Kurz nach dem Ende der Ära Rauch spitzte sich die Krise um das Portal deutlich zu.
„Die Bischöfe und Territorialäbte sind seit längerem besorgt über einige Artikel, die auf kath.ch veröffentlicht werden.“
Anlass war eine Reihe von Texten über die Gottesmutter Maria, die scharfe Kritik hervorrief und im Mai 2023 in eine Petition der konservativen "Katholischen Volksbewegung Pro Ecclesia" mündete. Darin bat die Organisation die Schweizer Bischöfe, "die Beleidigungen unserer himmlischen Mutter" auf kath.ch zu stoppen. Statt die Gottesmutter in ihren Privilegien zu ehren, die Mariendogmen zu erklären und den Glauben zu stärken, würden die Dogmen in den Artikeln "nur rein menschlich betrachtet, der Glaube an sie wird unterwandert und teilweise lächerlich gemacht". Insgesamt müsse die Artikelserie "als eine Schmähung der Gottesmutter bezeichnet werden, welche jeden gläubigen Katholiken, jedes Marienkind, schmerzt und in seinen religiösen Gefühlen verletzt".
Die Artikel über die Gottesmutter seien allerdings "leider nur die Spitze des Eisbergs", hieß es in der auch von den Gruppen "Die Schweiz betet" und "Fatima-Weltapostolat" unterstützten Petition weiter: "Kath.ch unterwandert schon seit geraumer Zeit den katholischen Glauben und ist vielen Katholiken unseres Landes ein Dorn im Auge." Man wolle die Bischöfe deshalb "höflich bitten", sich ihrer Verantwortung als Hirten bewusst zu werden und "entweder kath.ch den Auftrag zu entziehen oder zu gewährleisten, dass dieses Medienzentrum auch wirklich zur Erbauung des Glaubens der Katholiken dient".
Bischöfe sprechen deutliche Warnung gegen kath.ch aus
Trotz der geringen Zahl an Unterzeichnern – am Ende waren es nur gut 4.000 – verfehlte die Petition nicht die von ihren Initiatoren erhoffte Wirkung: In einer Pressemitteilung distanzierte sich die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) als einer der Auftraggeber des Portals bald darauf in deutlichen Worten von kath.ch. "Die Bischöfe und Territorialäbte sind seit längerem besorgt über einige Artikel, die auf kath.ch veröffentlicht werden", hieß es in der Erklärung. Die Artikel über die Gottesmutter sowie weitere Texte über die Bistümer Chur sowie Lausanne, Genf und Freiburg hätten Gläubige verletzt und zu Unverständnis und Wut geführt, so die Schweizer Bischöfe – die ihrer Kritik zudem eine deutliche Warnung folgen ließen: Weil das Rahmenstatut für die Medienarbeit der Kirche sowieso angepasst werden müsse, überlegten sich die Mitglieder der Bischofskonferenz, ob und in welchem Rahmen es sinnvoll sei, den kath.ch erteilten Auftrag beizubehalten.
Gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA behauptete eine Sprecherin der Bischofskonferenz zudem kurz danach, dass bei kath.ch mitunter Dinge geschrieben würden, die nicht bestätigt seien. Zudem seien die Artikel zum Teil mehr historisch als theologisch. Natürlich gebe es die redaktionelle Freiheit, das Mandat von kath.ch sehe aber auch eine gewisse Loyalität gegenüber der katholischen Kirche vor.

Annalena Müller konnte nach einem Veto de Schweizer Bischöfe nicht Direktorin des Katholischen Medienzentrums in Zürich und Chefredakteurin von kath.ch werden.
Rauchs Nachfolger als Redaktionsleiter, Charles Martig, zeigte sich von der Kritik der Bischöfe überrascht. In einem Text bei kath.ch schrieb er einen Tag später: "Die vehementen Vorwürfe irritieren uns. Kath.ch war über die Kommunikation nicht vorab informiert und wurde von der Bischofskonferenz in keiner Weise vorgängig zu den mutmaßlichen Problemen mit einzelnen Artikeln und Problemen konsultiert." Der konkrete Inhalt der Vorwürfe, die von der Bischofskonferenz erhoben würden, sei der Redaktion nicht bekannt; aus der Formulierung in der Pressemitteilung lasse sich nicht direkt auf konkrete Artikel schließen. Martig verwies zudem darauf, dass der damals neu ins Amt gekommene Medienbischof Josef Stübi sich erst kurz zuvor "anerkennend und sehr wohlwollend" zur Arbeit von kath.ch geäußert habe.
Was Martig in seinem Text nicht erwähnte: Bereits unter seinem Vorgänger Raphael Rauch war das Verhältnis zwischen kath.ch und den Bischöfen so stark belastet gewesen, dass 2022 von der Bischofskonferenz, der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und dem Medienzentrum eine gemeinsame Mediation über die publizistische Tätigkeit des Portals durchgeführt wurde. "Anlass für die Mediation war die 2021 teils kirchenintern, teils öffentlich vermehrt geäußerte Kritik an kath.ch: Die Themenwahl sei einseitig, und der Stil von kath.ch provoziere und polarisiere. Ein nicht unerheblicher Anteil der Kritik bezog sich auf den verantwortlichen Redaktionsleiter Raphael Rauch", hieß es zum Abschluss der Mediation in einer gemeinsamen Erklärung.
Redaktionsleiter tritt zurück und schießt gegen Bischöfe
Doch trotz Mediation und dem Wechsel an der Spitze der Redaktion blieb die Situation bei kath.ch turbulent. Wozu auch Charles Martig selbst beitrug: Anfang November 2023 und damit nur ein halbes Jahr nach seine Amtsübernahme kündigte er bereits wieder seinen Abschied als Redaktionsleiter an. Diesen verband er Ende März diesen Jahres mit einem verbalen Rundumschlag gegen die Schweizer Bischöfe. In einer Abschiedsrede vor der Redaktion forderte er die Bischöfe aufgrund ihres Umgangs mit den Missbrauchsfällen in der Kirche des Landes zum Rücktritt auf. "Die Rücktrittsforderung an alle Bischöfe der Schweiz ist berechtigt. Sie haben sich als unfähig erwiesen, die Kirche durch die Krise zu führen", so Martig wörtlich.
Ein Anlass für Martigs Ausbruch dürfte die kurz zuvor bekannt gewordene Ablehnung seiner designierten Nachfolgerin Annalena Müller durch die Schweizer Bischöfe gewesen sein. Diese hatten der Berufung der Journalistin, die noch von Raphael Rauch als Redakteurin zu kath.ch geholt worden war und als kritisch und unabhängig galt, Anfang März trotz einer zuvor einstimmigen Wahl durch den Vorstand des KMZ ihre Zustimmung verweigert und stattdessen Christian Maurer installiert. Müller kündigte daraufhin ebenfalls ihren Abschied von kath.ch an und wechselte im Sommer als neue Chefredakteurin zum "Berner Pfarrblatt".
„Seit mindestens dreißig Jahren ist kein einziger Kommunikationschef der Bischöfe in Frieden aus dem Amt geschieden.“
Laut der Boulevardzeitung "Blick" erhofften sich die Bischöfe durch die Ablehnung Müllers und die Installierung Maurers eine Beruhigung der Lage bei kath.ch. Mit dem jetzt angekündigten Abgang Maurers scheint klar zu sein, dass diese Strategie nicht aufgegangen ist und die Lage bei dem Internetportal bis auf Weiteres unruhig bleibt und sich zwangsläufig wieder einmal Fragen nach dessen weiterer Zukunft stellen.
Hinzu kommt: Seit dieser Woche ist kath.ch nicht mehr die einzige kommunikative Baustelle der katholischen Kirche in der Schweiz. Nur einen Tag nach Christian Maurers Rückzug wurde auch das Arbeitsverhältnis von Julia Moreno als Kommunikationsleiterin der Schweizer Bischofskonferenz aufgelöst. In einer dürren Pressemitteilung führte die Konferenz am vergangenen Dienstag "unterschiedliche Auffassungen über die Ausgestaltung der Kommunikation der SBK" als Grund für die Trennung an. Moreno hatte die Aufgabe als Sprecherin erst im August 2022 übernommen – auch sie blieb also nicht lange auf ihrem Posten.
Scharfe Kritik an kirchlicher Kommunikationskultur
Simon Spengler, einer von Morenos Vorgängern, sagte gegenüber dem "Berner Pfarrblatt": "Seit mindestens dreißig Jahren ist kein einziger Kommunikationschef der Bischöfe in Frieden aus dem Amt geschieden." Alle seien im Streit oder aus gesundheitlichen Gründen aus der Position gegangen. "Das sagt eigentlich alles über die kirchliche Kommunikationskultur", so Spengler, der heute die Kommunikation der katholischen Kirche im Kanton Zürich verantwortet. Die Bischöfe glaubten nach wie vor, "sie selbst seien die größten Kommunikationsexperten. Dagegen kommt kein Sachverstand an."
So viel scheint festzustehen: In der Kommunikationsarbeit der katholischen Kirche in der Schweiz dürfte nach den jüngsten Turbulenzen in dieser Woche so schnell keine Ruhe einkehren.