Laizität und Volksfrömmigkeit schließen sich nicht aus

Papst: Volksfrömmigkeit macht Christen zu konstruktiven Bürgern

Veröffentlicht am 15.12.2024 um 12:13 Uhr – Lesedauer: 

Ajaccio ‐ Verachtet nicht die Volksfrömmigkeit, warnt der Papst des Öfteren. Auf gesunde Weise gelebt, stifte sie Gemeinschaft und mobilisiere Christen zum Einsatz für andere. Um dies zu betonen, flog Franziskus eigens nach Korsika.

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Papst Franziskus hat vor einem falschen Kontrast von christlicher und weltlicher Kultur gewarnt. Vielmehr könnten zwischen beiden Horizonten einerseits Christen gelassen ihren Glauben leben, ohne ihn anderen aufzudrängen. Umgekehrt könnten religiös distanzierte Menschen nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Solidarität suchen, sagte er zu Beginn seines eintägigen Korsika-Besuchs am Sonntag in Korsikas Hauptstadt Ajaccio.

Anlass der ersten Reise eines Papstes auf der französischen Mittelmeerinsel ist ein zweitägiger Kongress über Volksfrömmigkeit im Mittelmeerraum. Das Thema ist dem Papst aus Argentinien ein wichtiges Anliegen: Religiöse Riten, Bräuche und Traditionen verankerten den christlichen Glauben in der jeweiligen Kultur einer Region, betonte Franziskus. Lebendige Volksfrömmigkeit schaffe es, Gemeinschaft zu stiften, was wiederum der Gesellschaft als Ganzes zugute komme.

Frömmigkeit nicht instrumentalisieren

Über Jahrhunderte habe Volksfrömmigkeit zudem soziale Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen belebt und so eine "konstruktive Bürgerschaft von Christen genährt". Gleichzeitig, so der Papst, könne Volksfrömmigkeit religiös distanzierte Menschen anziehen, die darin "eigene Wurzeln und Neigungen sowie Ideale und Werte erleben". Allerdings warnte Franziskus davor, "Volksfrömmigkeit auf äußerliche oder folkloristische Aspekte zu beschränken" und sie mit Schicksalsgläubigkeit und Aberglaube zu vermischen. Ebenso wenig dürfe solche Frömmigkeit von Gruppierungen ausgrenzend und polemisch instrumentalisiert werden.

Mit einem dynamischen Konzept von Säkularität könnten Staat, Gesellschaft und Religion "sich an unterschiedliche oder unvorhergesehene Situationen anpassen". Dabei könnten zivile und kirchliche Instanzen zum Wohle aller zusammenarbeiten, dabei gleichzeitig im Rahmen eigener Zuständigkeiten bleiben, so das Kirchenoberhaupt mit Blick auf die in Frankreich streng beachtete "Laizität", die Trennung von Staat und Kirche. "In diesem Sinn schließen sich Laizität und Volksfrömmigkeit nicht aus."

Keine Angst vor Veränderung

Beim Mittagsgebet hatte das Kirchenoberhaupt eindringlich zum Frieden aufgerufen. Anders als sonst betete er beim Mittagsgebet am Sonntag in der Kathedrale nicht nur für das ukrainische, sondern auch für "das russische Volk". Egal ob beide Völker nun "Brüder oder Cousins sind", fügte er in Anspielung auf eine frühere Kontroverse in der Ukraine hinzu, "sie sollen in Frieden miteinander leben". Außerdem nannte der Papst eigens "Palästina, Israel, Libanon, Syrien, das gequälte Myanmar". "Krieg ist immer eine Niederlage", warnte er.

Papst Franziskus in Ajaccio
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Papst Franziskus spendet den Segen aus dem Papamobil, Menschen schauen von Balkonen eines Mehrfamilienhauses zu, am 15. Dezember 2024 in Ajaccio (Frankreich)

Zuvor hatte Franziskus die Priester, Ordensleute und andere kirchliche Mitarbeiter aufgefordert, im für die Kirche schwierigen europäischen Kontext nach neuen, wirksamen Wegen der Evangelisierung zu suchen: "Habt keine Angst vor Veränderung, davor, alte Muster zu überdenken, die Ausdrucksformen des Glaubens zu erneuern."

Dabei sollten sie lernen, dass christliche "Sendung nicht eine Frage menschlicher Strategien ist, sondern in erster Linie eine Frage des Glaubens, eine Frage der Leidenschaft für das Evangelium und für das Reich Gottes". Allerdings müssten sie, um anderen dienen zu können, auch für sich selbst Sorge tragen. Dies gelinge am besten mit täglichen Zeiten der Stille, des Gebets und des persönlichen Austauschs mit vertrauten Menschen.

Franziskus war am Morgen in Ajaccio gelandet. Nach einem Treffen mit Kirchenvertretern mittags in der Kathedrale von Ajaccio feiert er nachmittags einen Gottesdienst auf der Place d'Austerlitz. Vor dem Rückflug gegen 18.00 Uhr nach Rom ist ein kurzes Gespräch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgesehen. (mtr/KNA)