Carlo Acutis wird für Marketing ausgenutzt
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Kürzlich hat Papst Franziskus die Heiligsprechung des ersten Millennials angekündigt. Carlo Acutis wurde 1991 geboren und ist mit 15 Jahren an Leukämie gestorben. Er ging täglich in die Kirche, beichtete, betete den Rosenkranz. Bekannt wurde er für die Katalogisierung eucharistischer Wunder auf einer eigenen Webseite. Acutis nutzte das Internet so, wie Papst Franziskus es wünscht: Er habe es verstanden, die neue Kommunikationstechnik geschickt einzusetzen, um Werte und Schönheit zu vermitteln.
Heute nutzen die selbsternannten "Freunde Carlo Acutis" diesen als Werbefigur zum Eintritt in ihre Welt: Auf ihrer Webseite finden sich nicht nur Acutis' Biografie und einige Zitate, sondern auch passende Stoßgebete für verschiedene Lebenslagen oder der Hinweis, dass die Marienverehrung in der "Endzeit" besonders notwendig sein würde. Beworben wird auch eine Jugend-Pilgerreise nach Medjugorje, veranstaltet vom Webmaster der Seite. Wer sich für dessen Denken interessiert, wird auf seinem X-Profil fündig: Dort nannte er die Aufstellung der Pachamama-Figuren in einer Kirche während der Amazonas-Synode – diese symbolisieren in indigenen Kulturen Südamerikas die Fruchtbarkeit der Erde – einen "Götzendienst" und "UNERTRÄGLICH". Auch postete er mehrere Interviews mit dem Aktivisten, der die Figuren gestohlen und in den Tiber geworfen hatte.
Was hätte Acutis dazu wohl gesagt? Vermutlich hätte er seinen Blick nicht zu den religiösen Eiferern gewandt, sondern zu denjenigen, die seine Hilfe brauchten. Zu seinem Trauergottesdienst im Jahr 2006 sollen viele Obdachlose gekommen sein, denen er in seiner Freizeit geholfen hatte. Von diesem beeindruckenden sozialen Engagement Acutis' ist bei seinen neuen "Freunden" leider nur am Rande zu lesen. Die Aktivitäten etwa der Kölner Gruppe konzentrieren sich laut Webseite auf Eucharistische Anbetung, Beichte, Rosenkranz und Heilige Messe – die Schwächsten der Gesellschaft außerhalb der Kirchentüren scheinen kaum Beachtung zu finden. So weit geht der Einfluss des "Influencers Gottes" dann leider wohl doch nicht.
Der Autor
Simon Linder arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Universität Tübingen. Er ist promovierter Katholischer Theologe und hat einen Studienabschluss in Allgemeiner Rhetorik. Aktuell forscht er zum Thema "Assistierter Suizid".
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.