Ruhiger Start mit Server-Problemen: So begann das Heilige Jahr
Die Schlange ist nicht besonders lang. Doch eine Frau hält es nicht mehr aus: Sie stürmt von hinten an den Desk des Pilgerzentrums und spricht die Mitarbeiterin an, die gerade einen älteren Mann mit Informationen versorgt hat. "Die App funktioniert nicht: Wie ist das jetzt mit der Heiligen Pforte?", fragt sie auf Italienisch. Die junge Frau am Schalter versucht sie zu beruhigen: "Wir wissen Bescheid. Der Server ist abgestürzt. Sprechen sie einfach die Freiwilligen auf dem Weg zum Petersdom an. Sie kommen schon rein." Nach ein paar weiteren Nachfragen zieht die Frau samt ihrer Familie von dannen – und mit ihr auch ein Großteil der Schlange.
Noch ruckelt er hier und da etwas. Doch die in den ersten beiden Tagen nicht funktionierende App war bislang einer von wenigen Aufregern des ansonsten ruhig angelaufenen Heiligen Jahres, das an Heiligabend mit der Öffnung der Heiligen Pforte am Petersdom durch Papst Franziskus offiziell begonnen hat. Auch wenn die Warteschlangen vor dem Einlass am Petersdom täglich länger werden (am dritten Tag sprachen Pilger schon von einer bis zwei Stunden Wartezeit): Den ganz großen Ansturm gibt es noch nicht. Schließlich war auch nur die eine Pforte am Petersdom durchschreitbar: Die an den anderen drei großen Päpstlichen Basiliken werden erst in den kommenden Tagen eröffnet. In den nächsten Monaten, gerade Richtung Frühjahr, wird es deutlich voller werden. Bis zum Ende des Heiligen Jahres am 6. Januar 2026 werden insgesamt 30 bis 40 Millionen Pilger erwartet.
Online-Registrierung vor Durchschreiten der Heiligen Pforte
Stressig war es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Freiwilligen wegen der technischen Probleme dennoch. Sie bekamen den Frust einiger Menschen ab, sagt eine der Damen am Desk im Heilig-Jahr-Pilgerzentrum, dem "Official Info Point", der sich in der Via della Conciliazione befindet. Viele hatten nämlich Sorge, dass sie ohne einen Beweis ihrer Registrierung in der App gar nicht durch die Heilige Pforte durchgelassen werden – was allerdings unbegründet war.
Grundsätzlich muss man sich nämlich vorab online registrieren, wenn man eines der Tore durchschreiten will. Das vatikanische Evangelisierungs-Dikasterium hat dazu eine App namens "Iubilaeum25" konzipiert. Nach der Registrierung können einzelne Pilger oder kleine Gruppen im Bereich "Pilgrimage to the Holy Doors" eintragen, an welchem Datum und zu welcher Uhrzeit sie durch eine der Heiligen Pforten gehen wollen. Unter "Events" ist auch die obligatorische Anmeldung zu einer der großen Veranstaltungen im Rahmen des Heiligen Jahres möglich. Bei der Registrierung in der App erhalten die Nutzerinnen und Nutzer zusätzlich einen digitalen Pilgerpass.
Das Durchschreiten der Heiligen Pforte am Petersdom ist seit Mittwoch, dem ersten Weihnachtsfeiertag, möglich. Zentraler Punkt für die Pilger ist zunächst die neu gestaltete Piazza Pia zwischen der Engelsburg und der Via della Conciliazione, der Prachtstraße, die direkt auf den Petersplatz und in den Petersdom führt: Hier startet offiziell die letzte Wegstrecke zur Heiligen Pforte. Die Umgestaltung der Piazza Pia war eine der wichtigsten Baumaßnahmen anlässlich des Heiligen Jahres: Aus einer lauten und vielbefahrenen Kreuzung wurde nun eine ruhige Fußgängerzone mit zwei kleinen runden Brunnen, an denen bereits offenbar auch Nicht-Pilger gerne verweilen.
Die Piazza wurde erst wenige Tage vor der Eröffnung des Heiligen Jahres fertiggestellt. Auch sonst wirkt in unmittelbarer Nähe des Petersplatzes alles wie auf Hochglanz poliert. Entfernt man sich aber ein paar hundert Meter von ihm, ist der ein oder andere Bauzaun noch sichtbar – etwa an der Bahnstation San Pietro. Die in den vergangenen Monaten wohl berühmteste Baustelle Roms ist inzwischen jedoch auch fertig: Vor dem Trevi-Brunnen gibt es kein kleines Ersatzbecken mehr, in das Touristen ihre Münzen werfen.
Pilgerweg entlang der Via della Conciliazione
Doch zurück an die Piazza Pia: Von dort aus ist ein eigens angelegter Pilgerweg entlang der Via della Conciliazione begehbar, der von bepflanzten Trögen gesäumt wird. Bevor man ihn gehen kann, muss man sich aber noch bei einem Info-Container auf dem Platz anmelden: Dort bekommen die Pilger einen Gebetstext als geistliche Unterstützung für den Weg. Er enthält unter anderem einen biblischen Text aus dem Römerbrief, eine Heiligen-Litanei und Gebetsempfehlungen an den verschiedenen Abschnitten des Pilgerweges. Wenn eine Pilgergruppe es wünscht, bekommt sie von den Freiwilligen, die eine grüne Jacke mit dem Logo des Heiligen Jahres tragen, auch noch ein eigens für das Großevent gestaltetes Vortragekreuz.
Gerade bereitet sich eine Gruppe von Pilgern darauf vor, dieses letzte Teilstück zur Heiligen Pforte zu gehen. Von einer Freiwilligen bekommen sie noch letzte Informationen. Sie wollen mit ihrer Pilgerreise nach Rom ein Zeichen des Glaubens und der Hoffnung setzen in einer Welt, die immer hoffnungsloser erscheint – so, wie es das Motto des Heiligen Jahres ausdrückt, erklären sie.
Genau diese oft hoffnungslos erscheinende Welt hat auch Auswirkungen auf das Sicherheitskonzept rund um den Petersplatz. Dieses wurde nach dem Attentat auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt verschärft. Zumindest an den ersten Tagen gab es vor der eigentlichen Einlasskontrolle unter den Kolonnaden am Petersplatz eine Vorkontrolle, bei der bereits Rucksäcke und Jacken durchsucht werden – und große Metallgegenstände wie Flaschen zurückgelassen werden müssen. Dann ging es weiter zu den Scannern, die alles genau nochmal genau durchleuchten – und selbst kleinste Gegenstände rausziehen. Dazu sind in der Nähe des Petersplatzes italienische Polizei und Militär stark präsent.
Viele Menschen, die zur Heiligen Pforte möchten, sind nicht unbedingt Pilger im engeren Sinne, sondern Touristen, die neugierig sind. So wie etwa eine Familie aus Philadelphia, die nicht den offiziellen Pilgerweg geht, sondern an einem der "Seiteneingänge" zum Petersplatz in der Schlange wartet. Sie hatten den Rom-Trip schon länger geplant und wollen die Wallfahrt zur Heilige Pforte nun "mitnehmen".
Keine Zeit für Fotos
Nach der Kontrolle geht es auf den Petersplatz – und von dort aus schließlich zur Heiligen Pforte auf der rechten Seite der Fassade der Basilika. Es ist nur ein Schritt, der für viele Gläubige jedoch eine unschätzbare Bedeutung hat. Wer dort etwas für Fotos verweilen und den Moment des Durchschreitens auf sich wirken lassen möchte, hat allerdings schlechte Karten: Ordner zeigen an, dass man rasch weitergehen soll, damit der Pilgerstrom nicht aufgehalten wird. Viele Pilger begeben sich zu den zahlreichen Altären, um ihre Gebete zu verrichten; andere schauen sich das Gotteshaus in all seiner Pracht an. Offizieller Schlusspunkt des Pilgerweges ist das Petrusgrab in der Basilika. Dort, bei der sogenannten Confessio, endet die Pilgerschaft mit Gebeten für Papst Franziskus und dem Glaubensbekenntnis.
Doch der inoffizielle Schlusspunkt ist wieder das Pilgerzentrum in der Via della Concilliazione: Dort kann man sich Merchandise des Heiligen Jahrs wie das offizielle Maskottchen "Luce" kaufen – und gegen einen kleinen Geldbetrag eine Pilgerurkunde ausstellen lassen, die die Rom-Pilgerreise nachweist. Dafür muss man den QR-Code des Pilgerpasses vorzeigen – bei ausgefallener App reicht auch ein Screenshot. Doch am dritten Tag hat die App den ganzen Tag wohl gut funktioniert, hört man von Pilgern.