Khorchide: Menschen sehnen sich nach sicherem Anker im Leben
Menschen sehnen sich in komplexer werdenden Gesellschaften nach Halt und Orientierung. Deshalb kann der Glaube an einen Gott sinnstiftend sein, meint Mouhanad Khorchide, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. "Die Rede von Gott hat nur dann Zukunft, wenn sie nicht mehr eine mit dem Zeigefinger auf die Menschen gerichtete moralisierende oder sogar drohende Rede ist", schreibt Khorchide im neu erschienenen Buch "Hat die Rede von Gott noch Zukunft?" (Echter Verlag, Würzburg).
Der in Beirut geborene Islamwissenschaftler leitet seit 2011 unter anderem das Zentrum für Islamische Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und widmet sich der Erforschung und Vermittlung einer zeitgemäßen Lesart des Islam.
Kein simples "Fürwahrhalten"
Für Khorchide ist klar: Der Glaube muss neu definiert werden. Dabei geht es keineswegs um ein "simples Fürwahrhalten der Existenz eines Gottes". Der Glaube sei vielmehr ein Geschehen der Liebe, der sinnstiftend sein könne, "weil er, damit er Glaube ist, mit dem Auftrag verbunden ist, selbst Hand der Liebe zu sein", schreibt der Islamexperte. Zugleich befreie die Liebe von Abhängigkeiten, die in Egoismus, Neid, Gier und Hass münden.
In dem Buch "Hat die Rede von Gott noch Zukunft?" wurden 111 Personen aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft gefragt, ob sie sich eine Zukunft für die Rede von Gott wünschen. Unter den Befragten sind Prominente wie Heinrich Deichmann, Gregor Gysi, Peter Lohmeyer, Hildegard Müller, Nelson Müller, Franz-Josef Overbeck, Carla Reemtsma und Hendrik Wüst. (KNA)