Theologe Tück: Konzil von Nizäa ist ökumenisch höchst bedeutsam
Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück hat die große ökumenische Bedeutung des Konzils von Nizäa hervorgehoben. "Das Konzil von Nizäa, dessen 1700-jähriges Jubiläum wir in diesem Jahr ja begehen, ist ökumenisch höchst bedeutsam, da alle großen christlichen Konfessionen dieses Bekenntnis rezipiert haben und noch heute in der Liturgie verwenden", sagte Tück in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk" (Freitag). Das Glaubensbekenntnis von Nizäa wird von katholischen, orthodoxen, altorientalischen und den Kirchen der Reformation anerkannt. Als Großes Glaubensbekenntnis wird in der römisch-katholischen Kirche heute eine beim ersten Konzil von Konstantinopel (381) beschlossene Erweiterung dieses Textes verwendet.
Die Prozesse zur Ausgestaltung des Gottesbildes seien in dieser Zeit noch im Fluss gewesen und hätten durch das Konzil zum ersten Mal eine Punktsetzung erfahren, indem man Gott als Gott der Beziehung gedacht habe, so Tück. "Und damit ist vielleicht eine revolutionäre Fortschreibung des Gottesbegriffs verbunden".
Zwar habe es im Judentum bereits asymmetrische Gotteskonstellationen gegeben. Dass Gott und Jesus vom Konzil gleichrangig definiert worden seien, sei allerdings eine große Neuerung. "Damit ist tatsächlich eine Differenz zum Judentum gesetzt, die man nicht unterschlagen sollte. Also Jesus ist keiner in der Reihe der Propheten, sondern er ist der Kyrios und Herr, als den ihn die frühen Christen bereits bekannt haben", erklärte Tück.
Theologische Kreativität sei gefragt
"Wir müssen heute neu darüber nachdenken, wie wir den Zeitgenossen dieses Bekenntnis, dass Jesus Christus Gottes Sohn war, verdeutlichen können", sagte der Wiener Dogmatiker weiter. Jesus als sittlichen Lehrer oder Humanitätsvorbild zu beschreiben, sei zwar richtig, aber unzulänglich, wenn man nicht zugleich verdeutliche, "dass hier das unergründliche, unbegreifliche Mysterium Gottes selbst sich begreiflich macht". Dies gelte es zu erzählen. "Und da ist theologische Kreativität gefragt", so Tück.
Zugleich bedauerte der Theologe, dass durch die Beschlüsse des Konzils auch Vertreter anderer Lehren mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft belegt worden seien. Dies widerspreche dem eigentlichen Sinngehalt des Glaubens, der an Freiheit gebunden sei. "Glaube kann nicht mit Zwangsmitteln, mit Indoktrination weitergegeben werden, sondern er muss seine lebenserschließende Kraft durch gutes Beispiel, durch gelungene Deutung unter Beweis stellen." (cbr)