Dreikönigskuchen, Weihrauch und böse Mächte

Von alters her ein Schwellentag: Viel Brauchtum um die drei Könige

Veröffentlicht am 05.01.2025 um 12:00 Uhr – Von Fabian Brand – Lesedauer: 

Bonn ‐ Am 6. Januar feiert die Kirche das Fest der Erscheinung des Herrn – bis heute ein Schwellentag voller Bräuche und Aberglauben. Von Caspar, Melchior und Balthasar bis zum Dreikönigskuchen zeigt sich: Der Tag verbindet christliche Verehrung, magische Rituale und den Blick in die Zukunft.

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Am 6. Januar feiert die Kirche das Fest der Erscheinung des Herrn. Sie denkt dabei an drei Ereignisse, in denen sich im Leben Jesu seine Göttlichkeit offenbart hat: die Anbetung der Magier, die Taufe im Jordan und das Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana. Über viele Jahre hinweg war der 6. Januar auch der Termin, an dem die Kirche der Geburt Christi gedachte. Bis heute ist das noch bei den Ostkirchen der Fall. Im Westen hat sich hingegen die Rede von den "Heiligen Drei Königen" eingebürgert, an die man an diesem Tag denkt. Freilich wurden die Dreikönige erst im 12. Jahrhundert so richtig prominent, als ihre Reliquien von Rainald von Dassel im Jahr 1164 von Mailand nach Köln überführt wurden.

Im Brauchtum und im volkstümlichen Leben kommt dem Dreikönigstag von alters her eine sehr hohe Bedeutung zu. Der 6. Januar ist der letzte Tag, der den sogenannten "Zwölfen" zugerechnet wird. Damit sind die zwölf heiligen Nächte gemeint, die mit der Weihnachtsnacht beginnen und mit der Nacht zum 6. Januar enden. Häufig nennt man diese Zeit auch die "Rauhnächte" oder die "Zeit zwischen den Jahren". Auf jeden Fall ist es eine heilige Zeit, ein Zeitraum, in dem Menschen besonders sensibel für außergewöhnliche Erscheinungen waren.

"Großneujahr"

Vielfach gilt der Dreikönigstag auch noch als eigentlicher Jahresbeginn. Folglich nennt man diesen Tag auch "den Obersten", "Großneujahr" oder "Hochneujahr". Und so ist die Nacht vor dem 6. Januar auch mit vielen Bräuchen verknüpft, die sich bis heute in der Silvesternacht erhalten haben. Man sagt, dass die Nacht zum Dreikönigstag voller Wunder ist: Die Tiere beginnen zu reden; Wasser, das man um Mitternacht schöpft, hat große Heilkraft; um Mitternacht wird am offenen Himmel die Dreifaltigkeit sichtbar. Außerdem wird an Dreikönig groß gefeiert und mit einem reichhaltigen Mahl das neue Jahr begrüßt. All das sind eben Dinge, die wir heute noch vom 1. Januar kennen: Auch an diesem Tag versammeln sich die Menschen, um freudig und zuversichtlich in das neue Jahr zu gehen. Das Anstoßen mit Sekt drückt diese Freude bis heute aus.

Bleigießen
Bild: ©stock.adobe.com/drubig-photo (Symbolbild)

Zum Brauchtum an Silvester gehört das Bleigießen. Es soll einen Blick in die Zukunft gewähren. Auch der Dreikönigstag ist mit diesem Gedanken verbunden.

Bis heute werden in der Silvesternacht manche Bräuche gepflegt, mit deren Hilfe man einen Blick in die Zukunft erhaschen will. Das Bleigießen ist wohl die bekannteste Form dafür. Auch der Dreikönigstag ist mit diesem Gedanken verbunden: Die Nacht zum 6. Januar ist eine der sogenannten "Losnächte". Dieser Begriff kann einerseits mit dem Wort Los verbunden werden, das wir bis heute noch gebrauchen. In dieser Nacht entscheidet sich gewissermaßen, welches Los wir ziehen, also ob die Zukunft von einem Glückslos bestimmt wird oder ob wir uns eher auf das Leben mit einer Niete einstellen müssen.

In manchen bayerischen Dialekten bedeutet das Wort "losen" aber auch "hören": Die Losnächte sind die Nächte, in denen man genau hinhören muss, in denen man achtsam sein muss, um etwas über die bevorstehende Zukunft zu erfahren. Für diesen Blick in die Zukunft haben sich daher am Dreikönigstag ganz unterschiedliche Bräuche etabliert: Zum Beispiel das Schuhwerfen, das als Liebesorakel besonders beliebt war. Auch Vorhersagen für das Wetter des folgenden Jahres konnten mithilfe von unterschiedlichen Hilfsmitteln getroffen werden.

Im Gottesdienst am Dreikönigsfest werden bis heute Salz, Wasser, Weihrauch und Kreide geweiht. Diese Artefakte wurden schon seit alter Zeit als Schutzmittel gegen das Böse angesehen. Mit dem geweihten Wasser werden die Räume der Wohnungen und Häuser, aber auch die Ställe besprengt. Dieses Wasser, dem eine besondere Wirkkraft zugesprochen wurde, sollte in besonderer Weise vor dem Bösen schützen und unheilvolle Mächte aus dem Haus verbannen. Wer einen Schluck vom Dreikönigswasser trinkt, wird das ganze Jahr über nicht krank werden, erzählten die Altvorderen. An manchen Tagen des Jahres oder wenn das Vieh krank war, holte man das Dreikönigswasser wieder hervor, um damit den Tod oder böse Mächte fernzuhalten.

Große Wirkkraft zugesprochen

Dem am 6. Januar gesegneten Salz wurde ebenso eine große Wirkkraft zugesprochen. Häufig wurde es dem Vieh zum Fressen gegeben oder in Speisen, die in den Tagen um den 6. Januar gekocht oder gebacken wurden, zum Würzen verwendet. Ebenso verfuhr man mit der geweihten Kreide, die man mancherorts zerrieben hat, und sie dem Vieh unter das Futter streute. Meistens nutzte man die Kreide aber anders: Mit ihr schrieb man an die Türstürze die Buchstaben C, M, B oder machte damit zumindest drei kleine Kreuze.

Die Initialen C, M, B standen für die angeblichen Namen der Dreikönige: Caspar, Melchior und Balthasar. Diesen Namen schrieb man eine so große Wirkmacht zu, dass man glaubte, sie würden schon an der Haustür alles Böse abschrecken. Auch das ist übrigens ein Brauch, der sich ja bis heute erhalten hat. Die Sternsinger schreiben bis heute den Spruch "20*C+M+B+25" über die Haustüren. Wobei das heutzutage meistens als frommer Segenswunsch gedeutet wird. Ursprünglich jedenfalls war diese Abkürzung mit den heiligen Dreikönigen verbunden. Sie wurden als die großen Schutzheiligen angerufen, ihnen wurde eine sehr große Kraft in der Bewahrung vor den bösen Mächten zugesprochen.

Bild: ©Kindermissionswerk/Benne Ochs

Ein Sternsinger schreibt mit geweihter Kreide die traditionelle Segensbitte an eine Tür.

Insgesamt haben die drei Könige im Aberglauben eine ganz große Rolle gespielt: Schon im Altertum wurden sie auf Amuletten abgebildet, die man bei sich trug, um das Böse abzuwehren. Im 12. Jahrhundert werden sie als Reisepatrone verehrt, weil sie selbst Reisende waren aus dem Orient zum Kind in der Krippe. Schon Papst Johannes XXII. soll 1276/77 empfohlen haben, die Namen der Dreikönige zum Schutz vor Epilepsie anzurufen. Und ganz allgemein wurden den Dreikönigen sehr umfassende Kräfte zugesprochen: Sie schützen die Tieren vor Seuchen und Krankheit, sie hüten vor Brand, Unwetter und Diebstahl, sie bewahren vor jeglichem Unheil in Haus und Hof. Ein in damaliger Zeit sehr verbreiteter Gebetsausruf lautete: "Sancti tres reges, Gaspar, Melchior, Balthasar, orate pro nobis, nunc et in hora mortis nostrae". Also zu Deutsch: "Heilige drei Könige Gaspar, Melchior, Balthasar, betet für uns, nun und in der Stunde unseres Todes". Im Leben und im Sterben vertraute man auf die Fürsprache und die wirkmächtige Kraft der Weisen aus dem Morgenland. Kein Wunder, das Köln, das mit den Reliquien der Heiligen Dreikönige aufwarten konnte, schon bald zu einem wichtigen Wallfahrtszentrum in Europa wurde.

Ein weit verbreitetes Brauchtum am 6. Januar ist auch der Dreikönigskuchen: Dabei handelt es sich um einen Kuchen, der am Dreikönigstag gebacken und in der Familie verzehrt wird. Das besondere am Kuchen ist, das eine Bohne eingebacken wird: Das Familienmitglied, welches das Stück mit der Bohne erwischt, bekommt den Ehrentitel "König" verliehen. Das ist übrigens ein Brauch, der schon im 16. Jahrhundert belegt ist und der in vielen Ländern und Regionen beheimatet ist. In Griechenland und Frankreich, aber auch in Portugal, Spanien und Mexiko kennt man den Dreikönigskuchen – wenngleich auch in unterschiedlichen Ausformungen und regionalen Besonderheiten.

Gerade im volkstümlichen Leben ist der 6. Januar wohl einer der Tage, der mit einem reichen Aberglauben und einer ebenso reichen Brauchtumspraxis belegt ist. Das rührt sicher von zwei Besonderheiten her: Einerseits war der 6. Januar als Neujahrstag eben ein herausragender Schwellentag, an dem man sich vom alten Jahr verabschiedete und mit Ungewissheit in die Zukunft der neuen Jahres blickte. Andererseits waren die drei Könige über viele Jahrhunderte hinweg aber auch so etwas wie die Stars unter den Heiligen. Wenn gar nichts mehr half, dann wurden die Dreikönige um ihre Fürsprache angerufen. Beide Momente verdichten sich dann in einem reichen Brauchtum, das sich um diesen Tag herum gelegt hat. Manches ist bis heute erhalten geblieben. Manches hat sich auch auf den 1. Januar als den modernen Neujahrstag verlagert. Und anderes ist ganz verschwunden – wie die große Verehrung der drei Könige insgesamt. In der großen Schar der Heiligen spielen sie heutzutage längst nur noch eine Nebenrolle.

Von Fabian Brand