Der Queer-Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) unterstützt die Forderung nach einer Ergänzung des Grundgesetzes zum besseren Schutz queerer Menschen. "Es wirkt sich bis heute negativ auf die Lebenssituation vieler Menschen aus, dass sexuelle Identität im Verfassungstext nicht erwähnt ist", sagte Weihbischof Ludger Schepers (Essen) am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Dieser gravierende Anfangsfehler unserer Verfassung ermöglicht die Fortschreibung des Unrechts. Wir haben heute die Möglichkeit und auch die Pflicht, diesen Fehler zu korrigieren."
Schepers unterstützt eine entsprechende Initiative des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Der Laien-Dachverband hatte im November Bundestag und Bundesrat aufgefordert, Artikel 3,3 des Grundgesetzes um folgenden Satz zu ergänzen: "Niemand darf aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität diskriminiert werden." Bisher heißt es dort nur: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes ... benachteiligt oder bevorzugt werden." Für eine Änderung des Grundgesetzes braucht es eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat.
Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe.
Erst 1994 entfiel der "Schwulen-Paragraf" 175
"Homosexuelle waren als einzige Opfergruppe der Nationalsozialisten 1949 bewusst nicht in Artikel 3 Absatz 3 aufgenommen worden", fügte Schepers hinzu. Schwule Männer seien noch lange "der oft lebenszerstörenden Verfolgung durch Paragraf 175 StGB unterworfen, lesbische Frauen an einem freien und selbstbestimmten Leben gehindert" worden. Das Grundgesetz habe queere Menschen lange Zeit "nicht einmal vor schweren Menschenrechtsverletzungen wie der Strafverfolgung nach Paragraf 175 StGB geschützt". Erst 1994 sei dieser Paragraf aufgehoben worden.
Das Bundesverfassungsgericht, so der Bischof weiter, habe inzwischen sein verfassungsrechtliches Verständnis von Geschlecht um die Geschlechtsidentität erweitert und damit trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Menschen in den Diskriminierungsschutz einbezogen. In seiner Rechtsprechung zur eingetragenen Lebenspartnerschaft habe es außerdem die sexuelle Identität im Wesentlichen den Persönlichkeitsmerkmalen wie Abstammung, Herkunft, Glaube oder Sprache gleichgestellt, die in Artikel 3,3 ausdrücklich genannt sind.
"Das sind große Fortschritte", betonte Schepers. Doch dass Karlsruhe trotzdem immer wieder "korrigierend gegenüber diskriminierendem staatlichem Handeln eingreifen muss", zeige, dass eine Änderung der Verfassung in diesem Punkt hilfreich sein könne. (KNA)