Männer-Seelsorger: Darum will das ZdK das Grundgesetz ändern
"Niemand darf aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität diskriminiert werden." So soll Artikel 3, Absatz 3 des Grundgesetzes künftig formuliert werden, wenn es nach dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) geht. Einer der Initiatoren dieses Vorhabens ist der Theologe Andreas Heek. Für das Forum katholischer Männer ist er Mitglied im ZdK. Im katholisch.de-Interview spricht er darüber, welche Chancen er dem Beschluss der ZdK-Vollversammlung einräumt.
Frage: Herr Heek, das ZdK hat bei seiner letzten Vollversammlung beschlossen, dass Artikel 3 des Grundgesetzes geändert und queere Menschen darin aufgenommen werden sollen. Warum haben Sie diesen Beschluss initiiert?
Heek: Die Anfrage an uns im Forum katholischer Männer kam aus den Kreisen der LSBTIQ-Community. Sie haben uns um Unterstützung dafür gebeten, damit wir für ihr Vorhaben werben, dass die Änderung des Grundgesetzes noch innerhalb dieser Legislaturperiode vorgenommen werden sollte. Zu dem Zeitpunkt, als diese Initiative gestartet wurde, schien das noch realistisch möglich zu sein. Wir haben uns im Forum katholischer Männer dazu entschieden, das Vorhaben zu unterstützen, weil wir finden, dass die Grundrechte von LSBTIQ-Personen nicht genügend abgesichert sind.
Frage: In Artikel 3 des Grundgesetzes wird schon jetzt festgehalten, dass niemand wegen seines Geschlechts diskriminiert werden darf. Warum sollte das aus ihrer Sicht noch ergänzt werden?
Heek: Bei der Abfassung des Grundgesetzes hat man damit nicht die geschlechtliche Vielfalt gemeint, die wir heute kennen. Damals ging es hauptsächlich um Frauen und Männer, die Gruppe der LSBTIQ-Menschen wurde nicht als besonders schützenswerte Gruppe genannt. Das lag auch daran, dass männliche Homosexualität zu diesem Zeitpunkt noch ein Straftatbestand war und man diese Gruppe – die demnach eigentlich als Gruppe von Straftätern angesehen wurde – nicht als besonders schützenswert im Sinne des Artikels 3, Absatz 3 ansah. Im Jahr 1994 wurde dieser Paragraf 175 im Strafgesetzbuch abgeschafft. Damals wurde aber eben versäumt, diese Gruppe auch als schützenswert ins Grundgesetz aufzunehmen.
Frage: Sind LGBTIQ-Personen heute nicht durch zahlreiche andere Gesetze – beispielsweise das Selbstbestimmungsgesetz oder die "Ehe für alle" – ausreichend geschützt?
Heek: Verfassungsrechtler sagen uns dazu, dass solche Gesetze auch wieder mit einfacher Mehrheit abgeschafft werden können. Wenn diese Gruppe aber im Grundgesetz explizit genannt und geschützt wird, ist die Abschaffung solcher Gesetze sehr viel schwieriger. Gerade heute, wo von rechtsradikalen und manchmal auch von äußerst linken extremistischen Kreisen die Rechte von LGBTIQ-Personen in Frage gestellt werden, fühlen wir uns als katholischer Männerverband besonders verpflichtet und angeregt, diese Gruppe mit ins Grundgesetz aufzunehmen, weil sie möglicherweise besonders gefährdet ist.
Frage: So eine Änderung des Grundgesetzes passiert nicht mal eben so. Dafür gibt es aus guten Gründen hohe Hürden. Bald wird ein neuer Bundestag gewählt. Für wie realistisch halten Sie es, dass eine solche Gesetzesänderung auch umgesetzt wird?
Heek: Um das zu beantworten, müsste ich Hellseher sein. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht, dass das Grundgesetz in dieser Hinsicht ergänzt werden soll. Deshalb wollten wir die Bundesregierung mit dieser Initiative daran erinnern, das Projekt noch zu Ende zu führen. Auch im ZdK gab es Diskussionen darüber, ob es jetzt überhaupt noch Sinn ergibt, so eine Stellungnahme zu verabschieden. Aber diese Forderung stellen wir nicht nur an die Ampel-Regierung, sondern das ist eine Forderung, der sich auch eine neue Bundesregierung stellen muss. So haben wir es formuliert und wir werden es auch wieder aufrufen, wenn es zu neuen Koalitionsverhandlungen kommt. Am Ende hat die ZdK-Vollversammlung sich mit großer Mehrheit hinter unsere Initiative gestellt.
„Wir haben gelernt und wir möchten gerne, dass die Kirche ein sicherer Ort für LSBTIQ-Personen wird.“
Frage: Inwiefern ist es neben dem Schutz auch ein politisches Zeichen, wenn LSBTIQ-Personen so weit vorne im Grundgesetz genannt werden würden?
Heek: Als katholische Kirche haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber LSBTIQ-Personen, weil wir in der Vergangenheit selbst daran beteiligt waren, diese Menschen aufgrund der kirchlichen Lehre zu diskriminieren. Da hat die Kirche viel dazugelernt und lernt jetzt Schritt für Schritt, diesen Menschen eine neue Wertschätzung entgegenzubringen. Daher sind wir besonders aufgefordert, unsere Verantwortung diesen Menschen gegenüber wahrzunehmen, um zu zeigen: Wir haben gelernt und wir möchten gerne, dass die Kirche ein sicherer Ort für LSBTIQ-Personen wird. Deshalb ist die Unterstützung einer solchen Gesetzesinitiative aus unserer Sicht eine wichtige Sache.
Frage: Lehramtlich gesehen ist die Kirche eigentlich klar: Gott hat den Menschen als Mann und Frau erschaffen, dazwischen passiert nicht viel. Bräuchte es nicht auch hier eine Initiative, um LSBTIQ-Personen sichtbar zu machen?
Heek: Wir bemühen uns, die innerkirchliche Diskussion immer wieder anzuregen. Beim Synodalen Weg der Kirche in Deutschland etwa gab es eindeutige Beschlüsse, die die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt fördern wollen. Aber wir haben auf weltkirchlicher Ebene ganz diverse Auseinandersetzungen, und die ranken sich natürlich ums kirchliche Lehramt, wobei meines Erachtens die geschlechtliche Vielfalt gar nicht das allergrößte Problem ist, sondern Homosexualität. Zu Trans- und Intergeschlechtlichkeit gibt es nur sehr wenige kirchliche Stellungnahmen. Aber diese Diskussionen müssen wir weiterhin geduldig führen und auf die Kraft der Überzeugung setzen. Das ist ein langer Prozess und ich weiß, dass das die Geduld von queeren Menschen enorm strapaziert. Ich bin mir aber sicher, dass steter Tropfen den Stein höhlen wird.