Vatikan empfiehlt Kardinal Woelki Lektüre von Kritik zur Pfarreireform
Das vatikanische Klerusdikasterium hat Kardinal Rainer Maria Woelki die Kritik eines deutschen Juristen an der Pfarreistrukturreform im Erzbistum Köln ans Herz gelegt, "um pastorale und rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden". Das Dikasterium teilte das gegenüber dem Autor der Kritik, dem ehemaligen Staatssekretär Günter Winands, Mitte Dezember in einem Schreiben mit, das katholisch.de vorliegt. Winands hatte in einem Aufsatz für eine verwaltungsrechtliche Fachzeitschrift dem Kardinal vorgeworfen, dass er mit seiner Reform "angesichts grob fehlerhafter und sachwidriger Rechtsfindung die Schwelle zur Willkür" überschreite. Seine Ausarbeitung hatte er dem Klerusdikasterium geschickt.
Wörtlich heißt es in der Antwort des Dikasteriums: "Angesichts der Aktualität und Bedeutung Ihrer Ausführungen hat dieses Dikasterium entschieden, eine Kopie des Artikels an den Erzbischof von Köln zu senden und ihn zu bitten, die Ausführungen zu bedenken, um pastorale und rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden." Auf einzelne Argumente Winands geht das Schreiben nicht ein.
Gegenüber katholisch.de bestätigte das Erzbistum am Donnerstagabend den Eingang eines Schreibens des Dikasteriums und betonte, bereits vor Beginn des Prozesses "#ZusammenFinden" die Abstimmung mit Rom gesucht zu haben: "Vom Dikasterium für den Klerus wurde daraufhin unser Vorhaben explizit bestätigt und das schrittweise und dialogorientierte Vorgehen bei der Festlegung der neuen Pastoralen Einheiten ausdrücklich gelobt. Es steht im Einklang mit der Lehre und Praxis der Kirche."
Erzbistum sieht Prozess "im vollen Einklang mit Rom"
Die Erzdiözese habe im vergangenen Jahr noch einmal in Rom um Rat gebeten, wie bei einzelnen Pfarreifusionen vorzugehen sei. "Die daraufhin im Antwortschreiben an alle deutschen Bistümer gegebenen Hinweise zum konkreten Vorgehen bei der Auflösung und Errichtung von Pfarreien werden im Erzbistum Köln selbstverständlich genau beachtet." Der Erzbischof von Köln setze den Prozess im vollen Einklang mit Rom und allen rechtlichen Vorgaben Schritt für Schritt um: "Bei der Gestaltung wird besonders darauf geachtet, die Gremien und Engagierten vor Ort intensiv einzubinden und die Berücksichtigung lokaler Besonderheiten zu ermöglichen." Das schaffe "Verlässlichkeit und Verbindlichkeit" für alle Beteiligten, die sich vor Ort in großer Zahl "pragmatisch und konstruktiv" mit ihren Ideen einbringen.
Nach Ansicht des Erzbistums entstünden so zukunftsfähige Pfarreistrukturen, die unterstützten, was Papst Franziskus immer wieder anmahne: "Unsere Organisation und alle unsere Entscheidungen sollen dem missionarischen Auftrag der Kirche dienen und dafür zeitgemäße Rahmenbedingungen schaffen."
Kritik fordert Einzelfallprüfung
In seinem Artikel in den "Nordrhein-Westfälischen Verwaltungsblättern", der im Oktober erschienen war, betonte Winands Grenzen der bischöflichen Gestaltungsmacht bei der Fusion von Pfarreien. Überlegungen allgemeiner Art wie der bloße Mangel an Klerikern oder knapper werdende Haushaltsmittel seien keine angemessenen Gründe, um Pfarreien aufzuheben. Vielmehr sei ein solcher Schritt nur dann legitim, wenn die Gründe mit der betroffenen Pfarrei direkt zusammenhingen. Daher brauche es in jedem Fall eine Einzelfallbetrachtung. Winands lebt in der von den Auflösungsplänen betroffenen Pfarrei St. Aegidius im rheinischen Bornheim. Der Kirchenvorstand von St. Aegidius sprach sich gegen eine Auflösung der Pfarrei aus und machte sich die Argumente Winands zu eigen, wie aus einem Schreiben des geschäftsführenden Vorsitzenden des Gremiums an Kardinal Woelki hervorgeht, das katholisch.de vorliegt.
Unter dem Projekttitel "#ZusammenFinden" reformiert das Erzbistum Köln seine pastoralen Strukturen. Als Grund für den Prozess führte das Erzbistum die rückläufigen Zahlen bei Katholiken, Engagierten, Seelsorgenden und bei den Finanzen an. Woelki hatte im Rahmen des "Pastoralen Zukunftswegs" diesen Schritt angekündigt, was zu heftiger Kritik an der Kirchenbasis führte. Im Frühjahr 2023 gab es bei einem Modellprojekt in Bergisch Gladbach Proteste, unter anderem wegen der Abberufung eines Pfarrers. Das Erzbistum ließ daraufhin von dem Modellprojekt vorerst ab. Ende August 2023 bestätigte Woelki den Zuschnitt der Pastoralen Einheiten, ermöglichte aber im darauffolgenden Oktober Alternativen bei der Rechtsform. Neben Großpfarreien sollen demnach auch Kirchengemeindeverbände als endgültige Rechtsform für die Pastoralen Einheiten möglich sein. (fxn)