Standpunkt

Höchste Zeit, dass wir uns wieder um die Demokratie kümmern

Veröffentlicht am 23.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Peter Otten – Lesedauer: 

Köln ‐ Viele Menschen haben für die Demokratie gekämpft. Droht unsere Gesellschaft, dieses Erbe aus Faulheit aufs Spiel zu setzen? Peter Otten kommentiert: Demokratie-Retten fängt im Kleinen an – dafür kann auch die Kirche ein Ort sein.

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Migranten aus dem Land werfen, den Panama-Kanal zurückholen, das Territorium erweitern. Der neue US-Präsident Donald Trump brauchte nur wenige Stunden, um seine Weltordnung zu skizzieren: eine der Ellenbogen, in der sich die Mächtigen, Starken und Reichen das Recht nehmen.

Es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder um die Demokratie kümmern. Nicht nur, weil am 23. Februar der Bundestag gewählt wird. Demokratie ist ja nicht nur das Kreuz auf dem Wahlzettel. Eine Folge der Demokratie ist, dass ich diesen Text schreiben kann und Sie ihn gerade lesen. Dass sich Vereine gründen. Dass Christen, Muslime und Juden sich zum Gottesdienst versammeln können. "Wir stehen heute auf den Schultern von Riesen", schreibt der Philosoph Jürgen Wiebicke in seinem sehr lesenswerten Buch "Erste Hilfe für Demokratieretter": "Viele Menschen haben harte Kämpfe geführt und persönliche Opfer gebracht, um die Demokratie (…) als Lebensform gegen bestehende Herrschaftsinteressen durchzusetzen. Die Menschheits-Blamage bestünde folglich darin, durch ein Übermaß an Faulheit und Feigheit dieses unverdiente Erbe aufs Spiel zu setzen."

Die Faulen, das sind nach Wiebicke die, die es sich biedermeierlich in ihrer eigenen Weltsicht bequem gemacht haben und sich nicht mehr für die "polis", die öffentlichen Angelegenheiten interessieren. Die Feigen, das sind die, die sich mit konträren Meinungen nicht auseinandersetzen und sich in ihrem "Meinungsstolz" gefallen. Sich um die Demokratie kümmern bedeutet, Brücken wieder aufzubauen. Vom eigenen Sofa hinaus in die Welt. Von der eigenen Weltsicht zur womöglich auch schwierigen Weltsicht der anderen. Wiebicke rät, im Kleinen zu beginnen. Im Haus, in der Nachbarschaft, im Veedel. In der Kirche, möchte man ergänzen. Christinnen und Christen tun gut daran, den Parlamentarismus gegen aufziehenden Spott und Gleichgültigkeit zu verteidigen. Warum sollte der Streit der Argumente, die Debatte und der Kompromiss nicht Orte sein, an denen der Geist weht?

"Demokratie ist wie ein Fahrrad, das immer weiter getreten werden muss, sonst kippt es um", schreibt Wiebicke. Ein wunderbar anschauliches, anstrengendes Bild. Aber nur so wird weiter ein frischer Wind von Freiheit um unsere Nasen wehen.

Von Peter Otten

Der Autor

Peter Otten ist Pastoralreferent in der Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Seit einigen Jahren bloggt er unter www.theosalon.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.