Standpunkt

Die Kirche wird sich nur treu bleiben, wenn sie Polarisierung bekämpft

Veröffentlicht am 27.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Pater Max Cappabianca – Lesedauer: 

Bonn ‐ In den USA haben neokonservative Kreise auch in der katholischen Kirche starken Zulauf, liberale Überzeugungen seien dagegen auf dem absteigenden Ast, so Pater Max Cappabianca. Er warnt die Kirche vor negativen Konsequenzen dieser Entwicklung.

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Die Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde bei der Amtseinführung von Donald Trump ist von liberalen Kreisen auf beiden Seiten des Atlantiks gefeiert worden. Sie hatte mit klaren Worten und mit Berufung auf die biblische Botschaft Trump ins Gewissen geredet. Die Reaktion Trumps, die jeglichen Anstand vermissen ließ, war schon kaum eine Meldung wert.

Beobachter haben zurecht darauf hingewiesen, dass Budde einen kirchlichen Flügel vertritt, der sich in den USA auf dem absteigenden Ast befindet. Zulauf haben vielmehr neokonservative Kreise im evangelikalen Spektrum, aber auch in der katholischen Kirche. Ein Analyst der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" macht dies daran fest, dass zum Beispiel der Einfluss der traditionell eher liberaleren Jesuiten in den USA schwindet, während die US-amerikanischen Dominikaner im Aufwind sind. Diese vertreten dort mit Berufung auf Thomas von Aquin teilweise faktisch fundamentalistische Positionen – die ganz im Einklang mit dem vatikanischen Lehramt der Kirche stehen!

In dieser Perspektive scheinen die oft widersprüchlichen Positionierungen von Papst Franziskus wie ein letztes Aufbäumen eines liberalen Glaubensverständnisses gegen den Neokonservatismus zu sein, auch wenn die Gegensätze im Welt- und Menschenbild immer eklatanter werden.

Wird auch die deutsche katholische Kirche konservativer, vielleicht sogar fundamentalistischer werden? Die Zahlen sprechen für diese These, auch wenn dank der Reste volkskirchlicher Religiosität die katholische Mehrheit – noch – moderate  Positionen vertritt. Tendenz ist: Konservative Begegnungen und Gemeinschaften mit klaren Abgrenzungen gegen die Zumutungen der Moderne verzeichnen einen höheren Zulauf als liberalere, die sich mit einer hohen Ambiguitätstoleranz um differenzierte Sichtweisen auf die Gegenwart bemühen.

Treu bleiben wird die Kirche sich nur, wenn sie diese Polarisierung bekämpft, alle Seiten selbstkritisch bleiben und sich alle gemeinsam wieder neu an der befreienden Botschaft des Evangeliums ausrichten.

Von Pater Max Cappabianca

Der Autor

Der Dominikaner Max Cappabianca ist Leiter der Katholischen Studierendengemeinde Hl. Edith Stein in Berlin. Von 2009 bis 2016 war er Mitarbeiter der vatikanischen Ostkirchenkongregation.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.