Die Stimme für Wohnungslose stellvertretend erheben – und abgeben
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"Reiche und Arme begegnen einander; der HERR hat sie alle erschaffen", weiß das Buch der Sprichwörter (Spr 22,2). Den Ärmsten der Armen – den Menschen ohne Wohnung und Obdach – können wir Reichen in Städten und Gemeinden immer öfter begegnen. Das belegt der im Januar veröffentlichte zweite Wohnungslosenbericht der Bundesregierung. Die darin veröffentlichten bitteren Zahlen sind leider im Wahlkampfgetöse weitgehend untergegangen: Weit mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland waren 2024 wohnungslos, über 47.000 von ihnen leben auf der Straße. Insgesamt eine deutliche Steigerung gegenüber 2022. Und: Über zehn Prozent von ihnen sind Familien, teils mit Kindern.
Wie humanitär eine Gesellschaft ist, erweist sich am Umgang mit den schwächsten ihrer Mitglieder. Der zuständige Bundestagsausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen bekräftigt, dass die Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 vollständig überwunden sein soll. Unter anderem wurde über eine Stärkung der Bahnhofsmissionen diskutiert. Vielerorts sind nämlich kirchliche Einrichtungen erste Anlaufstelle für wohnungslose Menschen und die Kirchen übernehmen die kommunale Unterbringungspflicht für sie. Auch wenn Wohnen ein Menschenrecht ist, finden sich in den Parteiprogrammen vor der Bundestagswahl leider wenig kreative Ideen, um Wohnraum für alle zu schaffen. Obwohl fast alle Parteien sozialen Wohnungsbau stärken und das Wohngeld erhöhen wollen, hat sich der Bestand an Sozialwohnungen seit 2006 fast halbiert, wie der Deutsche Mieterbund gerade mitteilte. Deshalb scheitern auch kirchliche "Housing-First"-Programme oft an zu wenig bezahlbarem Wohnraum.
Wer keinen festen Wohnsitz hat, steht nicht im Wählerverzeichnis und kann nur nach vielen bürokratischen Hindernissen sein Wahlrecht ausüben. Fast drei Viertel der Wohnungslosen haben die deutsche Staatsbürgerschaft und sind wahlberechtigt. Die meisten von ihnen haben aber andere Probleme, über zwei Drittel sind psychisch krank und finden kaum Hilfe. Wenn also die Kirchen zu Recht Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt als Kriterien für die Wahlentscheidung fordern, müssen wir als Wählerinnen und Wähler unsere Stimme stellvertretend erheben und abgeben. Damit auch in der Realität zutrifft, was uns am Ende versprochen ist: "Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen" – für alle.
Der Autor
Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.