Verhältnis von Staat und Kirche müsse weiterentwickelt werden

Politikwissenschaftler: Söders Kirchenkritik war Wahlkampfgetöse

Veröffentlicht am 18.02.2025 um 12:27 Uhr – Lesedauer: 5 MINUTEN

Eichstätt ‐ Seit Wochen sorgt die Stellungnahme der Berliner Büros der Kirchen für Diskussionen – auch unter Politikern. Der Politikwissenschaftler Klaus Stüwe hält das Statement für wenig hilfreich. Er warnt bei der Bundestagswahl vor einer "Wahl im Affekt".

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Der Eichstätter Politikwissenschaftler Klaus Stüwe hat die Kritik des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU, Foto oben) an den Kirchen bemängelt. "Der Verweis des Ministerpräsidenten auf die finanziellen Leistungen des Staates an die Kirchen war überflüssig und ein wenig Wahlkampfgetöse", sagte Stüwe in einem Interview auf der Internetseite des Bistums Eichstätt (Montag).

Gleichzeitig bewertete er das Papier der Berliner Büros von katholischer und evangelischer Kirche im Vorfeld der Migrationsdebatte im Bundestag als wenig hilfreich. "Sie hatten kein Mandat dafür", betont er. "In einer aufgeheizten politischen Debatte einseitig Position zu beziehen, ist nicht Aufgabe der Bischofskonferenz." Wenn überhaupt, sehe er diese Aufgabe bei kirchlichen Laiengremien wie dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), "die einen gesellschaftspolitischen Auftrag und womöglich auch mehr Sachverstand haben". Wenn sich aber die Berliner Kirchenbüros so dezidiert zu einer tagespolitischen Frage äußerten, "dann darf man sich nicht wundern, wenn dies später parteipolitisch instrumentalisiert wird – von der einen Seite, die damit süffisant im Bundestag argumentiert, oder von der anderen Seite, die sich davon attackiert fühlt".

Verhältnis von Kirche und Staat sei nicht angespannt

Die Büros von katholischer und evangelischer Kirche hatten sich Ende Januar in einem Brief an die Abgeordneten des Bundestags kritisch zum Migrationsvorhaben der Union geäußert: Sie trügen nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei. Das Schreiben hatte für Irritationen innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gesorgt. DBK-Generalsekretärin Beate Gilles erklärte, die Stellungnahme sei in dieser Form nicht abgesprochen gewesen, auch einzelne Bischöfe distanzierten sich – darunter auch der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke. Die Stellungnahme hatte unter Unionspolitikern ebenfalls für Kritik gesorgt. Bei einer Rede auf dem CSU-Parteitag mahnte Söder etwa, man stehe auf Seiten der Kirche, diese sollten sich aber mehr um "christliche Themen" wie den Lebensschutz kümmern. Anschließend fügte er als "kleinen Merkposten" hinzu: "Nicht vergessen, wer am Ende noch an der Seite der Institution Kirche steht. Das sind nämlich wir. Nicht, dass irgendwann man ganz plötzlich alleine steht. Denkt mal darüber nach." Zahlreiche politische Gegner und Medien hatten Söders Aussagen als indirekte Drohung gegenüber den Kirchen interpretiert.

Politikwissenschaftler Stüwe betonte im Interview, dass die "etwas gereizteren Töne der letzten Zeit" nicht den Eindruck entstehen lassen, dass das Verhältnis von Politik und Religion angespannt sei. "Staat und Kirchenkooperieren miteinander, und beide Seiten profitieren davon." Es sei allerdings davon auszugehen, dass das bisher praktizierte Verhältnis durch die zurückgehende Zahl der Gläubigen zukünftig nicht mehr so akzeptiert werde. Daher müsse auch das Verhältnis von Staat und Kirche weiterentwickelt werden.

Im Hinblick auf die Bundestagswahl am kommenden Sonntag ruft der Politikwissenschaftler dazu auf, sich von der Polarisierung und Aufregung im Wahlkampf nicht anstecken zu lassen. "Eine demokratische Wahl darf nicht im Affekt erfolgen", betonte Stüwe. Bürgerinnen und Bürger sollten sich vielmehr über die verschiedenen Angebote der demokratischen Parteien informieren und "am Ende eine verantwortungsbewusste Entscheidung" treffen. "Dabei darf niemand erwarten, dass seine oder ihre Positionen zu 100 Prozent von einem bestimmten Parteiprogramm abgedeckt werden", erklärte der Politikwissenschaftler. Das sei eine Illusion. "Auf dieser Welt ist nichts perfekt, und auch eine Wahlentscheidung bleibt am Ende immer eine Güterabwägung." (cbr)