Louisa Pötter über das Sonntagsevangelium

Liebt eure Feinde – auch am Wahltag

Veröffentlicht am 22.02.2025 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
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Wallenhorst ‐ Die Aufforderung Jesu zur Feindesliebe im heutigen Sonntagsevangelium passt für Gemeindereferentin Louisa Pötter zur heutigen Bundestagswahl. Für sie findet sich darin aber keine naive Friedensbotschaft, die die Realität ignoriert.

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An diesem Sonntag stehen wir in Deutschland vor einer wichtigen Entscheidung: der Bundestagswahl. Sie ist ein Symbol unserer Demokratie, unserer Werte und unserer Verantwortung füreinander. Doch zugleich erleben wir eine Gesellschaft, die gespalten scheint – zwischen Meinungen, politischen Lagern und auch persönlichen Feindbildern. Die Versuchung ist groß, den anderen abzulehnen, ihn abzustempeln und sich abzugrenzen. Und genau da kommt der heutige Bibeltext doch wie gerufen. Jesus fordert uns heraus: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen!

Kann das wirklich ernst gemeint sein? Gerade jetzt, wo politische Debatten oft hasserfüllt sind, wo wir in Kommentaren und Talkshows Verachtung und Spott erleben? Wo Menschen, die anders denken, nicht nur kritisiert, sondern regelrecht verfeindet werden? Jesus stellt uns mit seinen Worten vor eine Zumutung. Aber er gibt uns auch eine große Chance.

Die Worte aus dem Lukasevangelium sind keine naive Friedensbotschaft, die die Realität ignoriert. Sie sind ein radikales Programm, das unsere Welt verändern kann. Feindesliebe meint nicht, Unrecht zu akzeptieren oder sich nicht für Gerechtigkeit einzusetzen. Sie bedeutet, den anderen als Menschen zu sehen – nicht nur als Gegner oder Feind. Es bedeutet, sich nicht von Hass bestimmen zu lassen, sondern Brücken zu bauen.

Was bedeutet das für uns heute? Vielleicht, dass wir in politischen Debatten nicht nur darauf schauen, wo der andere irrt, sondern auch darauf, was ihn bewegt. Dass wir Widerspruch üben, aber ohne zu verletzen. Dass wir nicht in der Wut verharren, sondern nach Wegen des Miteinanders suchen. Dass wir vergeben, wo uns Unrecht widerfahren ist.

Jesus ruft uns zu einer Haltung der Großzügigkeit auf: Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Das bedeutet nicht nur materielle Großzügigkeit, sondern auch Großzügigkeit im Umgang miteinander – im Zuhören, im Verstehen, im Vergeben. Die Feindesliebe Jesu ist keine Schwäche, sondern eine unerschütterliche Kraft. Sie verändert nicht nur die anderen – sie verändert vor allem uns selbst.

Die Wahl am heutigen Tag fordert uns heraus, Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur mit unserer Stimme auf dem Wahlzettel, sondern auch mit unserer Haltung im Alltag. Werden wir zulassen, dass Spaltung und Hass unser Miteinander bestimmen? Oder wagen wir die Haltung, die Jesus uns ans Herz legt – Barmherzigkeit, Liebe und Großzügigkeit? Denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.

Evangelium nach Lukas (Lk 6,27–38)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Euch, die ihr zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen! Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch beschimpfen!

Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd! Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand das Deine wegnimmt, verlang es nicht zurück!

Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen!

Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden.

Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder.

Und wenn ihr denen Geld leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern, um das Gleiche zurückzubekommen.

Doch ihr sollt eure Feinde lieben und Gutes tun und leihen, wo ihr nichts zurückerhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!

Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden! Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden! Erlasst einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden!

Gebt, dann wird auch euch gegeben werden! Ein gutes, volles, gehäuftes, überfließendes Maß wird man euch in den Schoß legen; denn nach dem Maß, mit dem ihr messt, wird auch euch zugemessen werden.

Die Autorin

Louisa Pötter ist Gemeindereferentin und arbeitet in der Pfarreiengemeinschaft Wallenhorst im Bistum Osnabrück. Dort ist sie unter anderem für die Firm- und Erstkommunionvorbereitung zuständig.

Ausgelegt!

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