Nach dem AfD-Erfolg: Die Kirche muss ihre politische Strategie ändern

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Sieht man sich die Ergebnisse der Bundestagswahl an, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Strategie der katholischen Kirche kaum gefruchtet hat. Die sich schon vor der Wahl abzeichnenden 20 Prozent der AfD wurden erreicht, eine Trendwende blieb aus. Jeder fünfte Wähler in Deutschland hat sich für die rechtspopulistische Partei entschieden.
Im Wahlkampf erschien die katholische Kirche politisch wie selten. Überall wurde an die Menschen appelliert, "die Menschen" geändert hat das offenbar nicht. Wahrscheinlich kamen entsprechende Versuche bei ihnen genauso an wie die Politik, die sie zuvor gestört hatte: von oben herab, belehrend, an ihren Ängsten vorbei. Es ist leicht, im Nachhinein zu sagen, was anders hätte laufen müssen. Nichtsdestotrotz wünsche ich mir für die Zeit bis zur nächsten Wahl, die ja ein weiteres Erstarken der AfD bedeuten könnte, eine andere Herangehensweise.
Zum einen ist es der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ins Stammbuch geschrieben, "Freude und Hoffnung, Trauer und Angst" aller Menschen zu teilen, wie es in der Pastoralkonstitution heißt. Statt auf politischen Papieren sollte der Schwerpunkt auf Seelsorge und Beratung liegen. Politikverdrossene und von persönlichen Problemen herausgeforderte Menschen brauchen Orte, wo sie sich sicher fühlen, an denen sie mit ihren Sorgen ernstgenommen werden. Stimmungsmacher, die Angst schüren, hätten es auf Dauer schwerer, bei ihnen zu landen, wenn sie Ressourcen für den Umgang mit ihren Schwierigkeiten entdecken würden. Auf das eigene Leben zu reflektieren zeigt außerdem dessen Komplexität und lässt vielleicht zögern, sich auf allzu einfache Erklärungen einzulassen, wer angeblich schuld an der eigenen Misere sei.
Zum anderen sollte die Kirche noch mehr Raum für Begegnung schaffen. Eine menschliche Grunderfahrung ist, dass man anders über Menschen spricht, wenn man zuvor mit ihnen gesprochen hat. Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund oder anderen Religionen werden nicht dadurch weniger, dass man sie wortreich verurteilt, sondern indem sich Menschen kennenlernen und feststellen: Sie oder er ist eigentlich gar nicht so anders als ich. Das bedeutet nicht, zu politischen Vorgängen zu schweigen. Aber vielleicht könnte auch das in Zukunft einen Tonfall und eine Differenziertheit aufweisen, die den Menschen signalisieren würden, dass sie gesehen werden.
Die Autorin
Theresia Kamp hat Theologie und Romanistik studiert. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Pastoraltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und schreibt regelmäßig für verschiedene christliche Medien.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.