Kirche kann in gesellschaftspolitischer Diskussion nicht schweigen

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Immer wieder gibt es Anlässe, die (nicht nur die katholische) Kirche herausfordern, sich die Profilfrage zu stellen bzw. diese an sich heranzulassen: Die (selbst)kritische Anfrage an ihre Kernkompetenzen, die derzeit wieder virulent ist – ob von außen herangetragen und beantwortet oder innerhalb kontrovers diskutiert.
Außen wie innen scheint es zunächst Übereinstimmung zu geben: Die Kernkompetenz der Kirche(n) bestehe darin, die religiösen Bedürfnisse nicht nur ihrer Mitglieder zu erfüllen. In der Gemeinde, in der Schule, im Krankenhaus, im Gefängnis und in Not- und Krisensituationen: Seelsorge gilt als kirchliche Kernkompetenz, die das pastorale Selbstverständnis wie auch die Wahrnehmung in Gemeinde und Gesellschaft prägt. Seelsorger*innen geben Hoffnung und Orientierung, wo Menschen mit ihrer Verletzlichkeit und Begrenztheit konfrontiert werden. Sie sind in Grenzsituationen des Lebens und für die Stärkung von Resilienz zuständig.
So weit, so gut. Was aber, wenn Kirche sich nicht nur um das religiöse und spirituelle Wohlergehen von Menschen bemüht, sondern sich vernehmlich in die gesellschaftspolitische Diskussion einbringt? Übersteigt sie dann ihre Kompetenz? Dies wird spätestens dann so wahrgenommen, wenn sie Kritik an politischen Positionen und daraus entstehender Praxis übt.
Doch das Christentum ist eine nach außen gerichtete Religion: Spiritualität und Praxis sollten immer einander entsprechen. Wenn es der Kirche um jeden Menschen geht, um seine Würde und Freiheit, um Gemeinwohl und Frieden, um die Achtung der Mitwelt, kann sie nicht schweigen, wo diese bedroht oder gefährdet sind. Dann ist sie in die Pflicht genommen, macht- und herrschaftsideologische Einbahnstraßen in der Zivilgesellschaft zu demaskieren, Partei für jene zu ergreifen, die gefährdet sind oder zum Opfer werden. Allerdings ist sie dabei nur dann glaubwürdig, wenn sie diese Entwicklungen im Außen mit gegenläufigen Realitäten, Optionen und Strategien in ihren eigenen Strukturen durchkreuzt.
Die Autorin
Agnes Wuckelt ist emeritierte Professorin für Praktische Theologie und stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.