Bernhard Vogel ist tot – Ministerpräsident der Rekorde

Katholischer Brückenbauer zwischen Ost und West

Veröffentlicht am 03.03.2025 um 14:03 Uhr – Von Norbert Demuth und Michael Jacquemain (KNA) – Lesedauer: 5 MINUTEN

Erfurt/Speyer ‐ Ein Leben für Politik und katholische Kirche: Bernhard Vogel prägte als CDU-Politiker über Jahrzehnte erst Rheinland-Pfalz und nach der Wiedervereinigung Thüringen – und blieb bis ins hohe Alter engagiert. Nun ist er mit 92 Jahren gestorben.

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Er war der einzige deutsche Politiker, der Ministerpräsident in zwei Bundesländern war: von 1976 bis 1988 in Rheinland-Pfalz und – nach der Wiedervereinigung – von 1992 bis 2003 in Thüringen. Bernhard Vogel hat die Politik in Deutschland über Jahrzehnte mitgeprägt. Am Sonntag ist Vogel, der auch Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) war, im Alter von 92 Jahren gestorben, wie die Thüringer Staatskanzlei auf Anfrage am Montag in Erfurt bestätigte.

Vogel, der Bruder des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel, bestach durch einen immer freundlichen und humorvollen Umgang. Verletzende Äußerungen waren ihm fremd. Selbst dann, wenn er Kritik übte, geschah das mit Respekt vor dem anderen und oft noch eingewickelt in ein Lob für das Gegenüber. Vogel, der ewige Junggeselle ohne politischen oder privaten Skandal, war fest davon überzeugt, dass er so letztlich mehr Gehör fand und verändern konnte als mit Krach und Radau. Zeitweise wurde er auch als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt.

Einer der letzten Auftritte: 2024 in Speyer

Bis zuletzt mischte sich Vogel – meist hinter den Kulissen – in tagesaktuelle Debatten und Entscheidungen ein, sein Rat war bis zuletzt sehr gefragt. Einen seiner letzten öffentlichen Auftritte hatte Bernhard Vogel im Mai 2024 in Speyer, wo er seit Jahrzehnten wohnte. Bei der Vorstellung seiner Autobiografie "Erst das Land: Mein Leben als Politiker in West und Ost" zeigte sich Vogel trotz seiner damals 91 Jahre nicht als Mann von gestern.

„In vielen persönlichen Begegnungen durfte ich ihn als einen tiefgläubigen Menschen erleben, der mit wachem und kritischem Blick den Weg seiner Kirche leidenschaftlich mitverfolgte und mit ihr unerschütterlich verbunden war“

—  Zitat: Bischof Karl-Heinz Wiesemann über Bernhard Vogel

Äußerlich schon gebrechlicher, die Stimme aber nach wie vor fest und kräftig, gab der CDU-Politiker Empfehlungen zum Umgang mit der AfD. "Es darf nicht darum gehen, sich den inhaltlichen Aussagen der AfD anzunähern", sagte Vogel damals in Speyer. "Es muss darum gehen, die Wähler, die die demokratischen Parteien der Mitte an die AfD verloren haben, zurückzugewinnen."

Über Jahrzehnte engagierte sich der Studienkollege Helmut Kohls nicht nur für die CDU und die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung, sondern auch für die katholische Kirche, für seine Kirche. Er bezeichnete sich als "überzeugtes und aktives Mitglied". Von 1972 bis 1976 war er Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Vier Jahrzehnte gehörte Vogel diesem obersten Laiengremium an.

Intensiver Kontakt zur katholischen Kirche

Bis zuletzt hatte er intensiven Kontakt zur katholischen Kirche und war ein gerngesehener Gast im Speyerer Dom. "In vielen persönlichen Begegnungen durfte ich ihn als einen tiefgläubigen Menschen erleben, der mit wachem und kritischem Blick den Weg seiner Kirche leidenschaftlich mitverfolgte und mit ihr unerschütterlich verbunden war", erklärte am Montag der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann.

Den Katholiken in Deutschland riet Vogel, bei allen eigenen Problemen über den Tellerrand zu blicken. Die Weltkirche wachse, und der kirchliche Eurozentrismus gehe "früher oder später zu Ende", sagte Vogel Ende 2012. Drei Monate später wurde mit Jorge Mario Bergoglio/Papst Franziskus erstmals ein Lateinamerikaner Papst.

Bild: ©KNA/epd-bild/Thomas Lohnes

Den Katholiken in Deutschland riet Vogel, bei allen eigenen Problemen über den Tellerrand zu blicken. Die Weltkirche wachse, und der kirchliche Eurozentrismus gehe "früher oder später zu Ende", sagte Vogel Ende 2012.

1932 in Göttingen geboren, machte Vogel nach dem Besuch der Volksschule und Gymnasien in Gießen und München 1953 in Bayern Abitur. Er studierte in München und Heidelberg Politikwissenschaft, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft. Vogel strebte zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn an.

Rasanter Polit-Aufstieg

Doch es kam anders. 1965 gewann er mit gerade mal 32 Jahren bei der Bundestagswahl das Direktmandat im Wahlkreis Neustadt an der Weinstraße und Speyer, legte das Mandat aber zwei Jahre später nieder und ging in die Landespolitik. Ein rasanter Aufstieg folgte: Er wurde Kultusminister, Chef im CDU-Bezirksverband Pfalz, Landesvorsitzender und schließlich Ministerpräsident, nachdem Helmut Kohl das Amt in Mainz niedergelegt hatte und in Bonn Oppositionschef wurde.

Nach innerparteilichem Streit wurde 1988 anstelle Vogels Hans-Otto Wilhelm zum Landesvorsitzenden gewählt. Vogel stellte daraufhin sein Amt als Ministerpräsident zur Verfügung. Der Abgang war spektakulär, nach den Worten "Gott schütze Rheinland-Pfalz" verließ der gezeichnete Politiker das Rednerpodium beim Koblenzer Landesparteitag. Doch Vogel kam zurück. Nach dem Aus für Ministerpräsident Josef Duchac (CDU) 1992 bat Kohl Vogel, nach Erfurt zu gehen. Er half, wie er es sagte, das "von den Sozialisten aufgelöste Land Thüringen wiederzubeleben und aufzubauen".

Von Norbert Demuth und Michael Jacquemain (KNA)