Gericht: Erzbistum Köln muss auch für Messdiener haften

Nach Ansicht des Kölner Landgerichts haftet das Erzbistum Köln in Missbrauchsfällen nicht nur für Priester, sondern auch für ehrenamtliche Messdiener. Ein Ministrant habe als Gruppenleiter eine Nähe zur Figur eines Verwaltungshelfers und sei eine Art verlängerter Arm des Bistums, sagte am Dienstag in einem Schmerzensgeldprozess der Vorsitzende Richter Dominik Theisen. Zudem betreffe seine Tätigkeit den Kernbereich der Gemeinde und damit des Erzbistums, das als Verwaltungsstruktur dahinterstehe.
In dem Fall fordert eine Missbrauchsbetroffene 830.000 Euro vom Erzbistum. Sie wurde nach eigenen Angaben in den 1990er-Jahren als Kind von ihrem Messdiener-Gruppenleiter missbraucht. Dieser habe die Gruppe betreut, obwohl er schon vorher durch übergriffiges Verhalten aufgefallen sei. Das Erzbistum vertritt die Auffassung, dass der Gruppenleiter kein "Amt" in der Diözese bekleidet habe und diese deshalb nicht für dessen Taten haften müsse.
Gericht: Strenge Beweispflicht
In der Verhandlung am Dienstag gab die Klägerseite an, dass die Betroffene über vier bis fünf Jahre beinahe jeden Mittwoch missbraucht worden sei. Die Bistumsseite betonte dagegen, von dieser Häufigkeit der Missbrauchs keine Kenntnisse zu haben. Das Gericht wies darauf hin, dass in dieser Frage laut Zivilprozessordnung eine strenge Beweispflicht gelte. Zwar sei der mutmaßliche Täter strafrechtlich bereits verurteilt worden, allerdings nur für vier Fälle. Und lediglich zwei davon hätten im kirchlichen Kontext stattgefunden.
Das Gericht will sich in dem Fall zunächst weiter beraten. Ein weiterer Verhandlungstermin wurde für den 29. April festgelegt, dann auch mit einer möglichen Anhörung der Klägerin. Das Erzbistum beantragte, die Klage abzuweisen.
Erzbischof Koch als Zeuge
Das Landgericht verhandelt zur Stunde eine weitere Schmerzensgeldklage gegen das Erzbistum. Dabei wird der Berliner Erzbischof Heiner Koch als Zeuge vernommen. Die Betroffene war von ihrem Pflegevater, einem Priester, über Jahre sexuell missbraucht worden und fordert ein Schmerzensgeld von 850.000 Euro. Koch hat zur selben Zeit wie der bereits strafrechtlich verurteilte Täter U. im Kölner Priesterseminar gelebt. Im Prozess geht es unter anderem um die Frage, ob der Erzbischof die Aussage der Betroffenen bestätigen kann, dass sie schon im Priesterseminar in einem Zimmer mit dem Täter übernachtet habe.
U. war bereits 2022 wegen mehrfachen Missbrauchs zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht hat in dem Fall bereits deutlich gemacht, dass sich eine mögliche Amtshaftung des Erzbistums nur auf den dienstlichen und nicht auf den privaten Bereich beziehe. Nun wird auch darüber gestritten, ob man bei einem katholischen Geistlichen davon ausgehen muss, dass er immer im Dienst ist. (KNA)