Standpunkt

Die Kirche sollte das Christentum von rechts nicht unterschätzen

Veröffentlicht am 28.03.2025 um 00:01 Uhr – Von Thomas Seiterich – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Die Kirche sollte angesichts konservativer und rechter Influencer in sozialen Netzwerken vorsichtig sein, schreibt Thomas Seiterich. Die Blauäugigkeit der Politik dürfe sich auf kirchlichem Terrain nicht wiederholen.

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Es war eine folgenschwere Unterlassung, dass die etablierten politischen Parteien jahrelang keine Aufmerksamkeit verwendeten für die anwachsende Präsenz von Rechtsextremen in den sogenannten Sozialen Medien. Nun stehen sie dort auf verlorenem Posten. Während Rechtspopulisten bei Wahlen – in Deutschland und Europa — von Erfolg zu Erfolg eilen und zu einer echten Gefahr für die Demokratien werden.

Droht nun den etablierten Kirchen ein ähnlicher Fehler? Katholisch.de weist zurecht hin auf  Forschungsergebnisse der Sozialwissenschaftlerin Eviane Leidig. Ihre Aufmerksamkeit gilt den "Tradwives", das sind konservative Influencerinnen in den Kirchen der westlichen Welt. Die rechten Influencerinnen und Influencer zeigten ihre Einflussmacht bei den Wahlen in den USA. Früher wählten die US-Katholiken in ihrer Mehrheit die Demokraten. 2024 bescherte ein Rechtsruck von Millionen katholischer Wähler Donald Trump einen signifikanten Teil seines Wahlsieges.

Die Rechtsextremismusforscherin Leidig sieht bei traditionalistisch-christlichen Influencerinnen eine intelligente Strategie, um verunsicherte junge Menschen anzusprechen. Vor allem würden junge Frauen und Männer aus religiösen Familien angesprochen, um Narrative wie die Komplementarität der Geschlechter anzusprechen. In dieser Vorstellung hätten "Männer und Frauen unterschiedliche, aber heilige Rollen". Dabei werden religiöse Botschaften genutzt, um "christlich-nationalistische Ideen zu verankern, besonders rund um das Konzept der traditionellen Kernfamilie".

Die Tradwives stammen zum Teil aus säkular-liberalen Haushalten. Sie fanden oft erst spät zu ihrem Glauben. Viele kommen aus evangelikalen Kreisen. "Gezielt würden bestimmte kirchliche Lehren" ausgewählt, die "mit ihren politischen Überzeugungen übereinstimmen", meint die Wissenschaftlerin.

Aufmerksamkeit ist angesagt, auch Wachsamkeit. Auch wenn die Kerngruppe der Christen die Botschaft des Evangeliums nicht über die Sozialen Medien konsumiert, so darf die Kirchenspitze den Diskurs in den Sozialen Medien nicht ignorieren. Die Blauäugigkeit der Politik darf sich auf kirchlichem Terrain nicht wiederholen.

Von Thomas Seiterich

Der Autor

Thomas Seiterich ist Ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.