Angelo Campana gründete eine Gruppe für Getrennte unter dem Dach der Kirche

Ein Geschiedener auf der Suche nach seinem Platz in der Kirche

Veröffentlicht am 07.04.2025 um 00:01 Uhr – Von Beate Kampen – Lesedauer: 7 MINUTEN
#KircheVorOrt

Lochham/Bonn ‐ Vor zehn Jahren haben sich Angelo Campana und seine Frau getrennt. Mittlerweile hilft er anderen, mit einer Scheidung umzugehen – zusammen mit einem Priester in seiner Heimatgemeinde. Doch bis dahin war es ein weiter Weg.

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"Ich bin damals in ein totales Loch gefallen", erinnert sich Angelo Campana, an den Moment nach seiner Trennung. 15 Jahre waren er mit seiner Ex-Frau, die er im Studium kennengelernt hatte, verheiratet. Auch 10 Jahre nach der Trennung sagt Campana: "Meine erste Ehe war wunderschön." In den ganzen Jahren habe er nicht einmal an eine Trennung gedacht. Umso größer waren der Schock und die Enttäuschung, als sich die Scheidung anbahnte. Besonders schwer war es für ihn, zu akzeptieren, dass seine Ehe gescheitert war und dass auch er Fehler gemacht hatte. Doch was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Dass ihn dieser Beziehungsbruch zur Kirche führen würde.

Es dauerte mehrere Monate, bis sich sein Alltag wieder stabilisierte. Allein sei er aus dem Loch aber nicht wieder herausgekommen, erzählt er. Viele verschiedene Menschen halfen ihm, die Trennung zu überwinden. "Gott sei Dank, habe ich so viel Kraft gehabt, nicht zu Hause zu bleiben, sondern mich herauszuwagen", blickt er heute auf die Zeit nach der Trennung zurück.

„Gott sei Dank, habe ich so viel Kraft gehabt, nicht zu Hause zu bleiben, sondern mich herauszuwagen.“

—  Zitat: Angelo Campana über die Zeit nach seiner Trennung

In einer Theatergruppe fand er Unterstützung und neue Freunde. Ein Mitglied der Theatergruppe verwies den gebürtigen Italiener an eine italienischsprachige Kirchengemeinde in München. "Warum eigentlich nicht?", dachte sich Campana und beschloss, den Gottesdienst der Gemeinde zu besuchen. Campana war zu der Zeit eigentlich nicht besonders im Glauben verankert und hatte in Deutschland auch keinen Bezug zu einer Gemeinde. Doch die Gottesdienste gefielen ihm. Lange dauerte es nicht, bis er sich dort richtig wohlfühlte. Er trat in den Chor ein und lernte eine Frau kennen, in die er sich später verliebte.

Seine Freundin, die wie er in Italien geboren wurde, gab ihm einen weiteren Tipp. Es gebe da ein Angebot der Diözese Bergamo, das Menschen beim Umgang mit einer Scheidung hilft. Die Pfarrgemeinde biete dort einen Raum, um sich mit anderen Getrennten, Geschiedenen oder Wiederverheirateten auszutauschen. Kurzerhand machte sich Campana auf den Weg, um sich selbst ein Bild zu machen. "Es war ein geschützter Raum, in dem man all seine Ängste und Emotionen rauslassen konnte", beschreibt Campana den Austausch in der Gruppe. Auf dem Rückweg nach Deutschland kam ihm dann die entscheidende Idee: "Warum gründe ich so eine Gruppe nicht in Deutschland?"

Das sagt die Kirche zu Scheidung und zweiter Heirat

Dabei ist der kirchliche Status von Geschiedenen kompliziert. Auf der einen Seite betont Papst Franziskus immer wieder, dass sie Teil der Kirche seien. Auf der anderen Seite hält die Kirche an der Unauflöslichkeit der Ehe fest: Nach katholischem Verständnis besteht das Eheband auch nach einer zivilen Scheidung fort. Eine zweite zivile Ehe gilt damit als andauernder Ehebruch. Lange führte dies zum Ausschluss von Eucharistie und Beichte. Franziskus aber lockerte 2016 diese Regelung für Wiederverheiratete. Die Teilnahme an den Sakramenten ist seitdem unter der Voraussetzung seelsorglicher Begleitung kirchenrechtlich möglich.

Diese seelsorgliche Betreuung gibt es etwa in Ehe-, Familien-, und Lebensberatungsstellen oder über die diözesanen Stellen der Alleinerziehendenseelsorge. Das Angebot reicht von Einzelberatung über Seminare bis hin zu speziellen Gottesdiensten. Einzelne Pfarrgemeinden, die wie in Bergamo Selbsthilfegruppen für Geschiedene anbieten, fand Campana zumindest im Raum München aber nicht.

Der "Zerbrochene Ring" ist mehr als ein Ort zum Reden

Der Gedanke, seine eigene Gruppe zu gründen, reifte langsam heran und 2022 wandte er sich an die Pfarrgemeinde St. Johannes Evangelist in seinem Wohnort im oberbayrischen Lochham. Er stand vor Pfarrer Markus Zurl und erklärte ihm, dass er eine Gruppe für Geschiedene unter dem Dach der Kirche gründen wolle. "Er war sofort begeistert", erinnert sich Campana an den Moment. Die beiden sprachen darüber, wie man Geschiedene in der Kirche halten könne und wie wichtig das sei. Es dauerte nicht lang und die beiden organisierten das erste Treffen.

Viele Leute kamen nicht – und das hat sich bis heute nicht geändert. Zu Höchstzeiten waren es neun. Mittlerweile hat sich nach drei Jahren eine feste Gruppe von sechs Männern und Frauen gefunden. Gestartet wird das Treffen immer mit einem kleinen Imbiss. Danach folgt ein Programm, das Campana meist selbst konzipiert. Es wird ein Stück aus dem Evangelium gelesen und besprochen. "Beim letzten Treffen haben wir dann beispielsweise auf Zetteln gesammelt, was wir kreuzigen wollen." Die Zettel wurden dann auf einem Holzkreuz festgenagelt und die beschrieben Probleme besprochen.

Bild: ©privat, Montage katholisch.de

An dem Kreuz nagelten die Mitglieder des "Zerbrochenen Ringes" ihre Sorgen.

Die Themen, die in der Gruppe aufkommen, sind oft sehr schmerzhaft: Wie legt man die Schuldgefühle nach einer Trennung ab? Wie kann man nach einer Scheidung wieder Liebe finden und diese auch zulassen? Wie gelingt ein gutes Verhältnis mit Stiefkindern? Aber es geht auch um die Lage von Geschiedenen in der Kirche. Auf dem Flyer der Gruppe wird betont: "Gemeinsam diskutieren wir über das Thema Scheidung und darüber, dass dieser Zustand des Lebens die Mitgliedschaft in der Kirche nicht ausschließt."

Campana kennt die Vorbehalte, die einige gegenüber der Gruppe haben: "Warum muss so ein Angebot in der Kirche stattfinden? Warum ist immer ein Priester dabei?" Er antwortet darauf, dass man nicht unbedingt an Gott glauben müsse, um Teil der Gruppe zu sein. Am Ende eines jeden Treffens geht die Gruppe zwar mit dem Pfarrer für eine kurze Andacht in die Kirche. Aber er selbst hatte Pfarrer Zurl direkt am Anfang gesagt, dass er nicht besonders gläubig sei. Zurl habe ihm aber das Gefühl gegeben, dass er so kommen dürfte, wie er sei. Und das gelte auch für alle anderen beim "Zerbrochenen Ring".

Überzeugt spricht Campana von den Vorteilen der Gruppe. Es sei ein Ort des Vertrauens. "Alles, was ich dort sage, bleibt dort. Ich kann einfach alles loslassen", erzählt er. Das Herz dieser Gruppe sei der Austausch auf Augenhöhe. Schließlich haben alle Teilnehmer ähnliche Erfahrungen gemacht und verstehen die Probleme der anderen. Campana haben die Gespräche gezeigt, dass Trennungen manchmal einfach passieren. "Und das bedeutet nicht, dass ich blöd oder böse bin."

Bild: ©privat, Montage katholisch.de

Im Juli 2025 wird Campana seine langjährige Freundin zumindest standesamtlich heiraten.

Seine erste Ehe liegt zwar mittlerweile schon zehn Jahre zurück, doch die Auswirkungen spürt er heute noch. Im Juli wollen er und seine Partnerin heiraten. Für sie ist es die erste Ehe, für Campana die zweite. Obwohl es ihr sehr wichtig wäre, kirchlich zu heiraten, bleibt dem Paar diese Möglichkeit verwehrt. Campana hat sich bereits erkundet, ob eine Annullierung seiner ersten Ehe möglich sei. Doch bei ihm würde es wohl nicht klappen. Somit bleibt das Nein der Kirche stehen. "Für mich ist das mittlerweile nicht mehr so wichtig", sagt er nüchtern. Er freut sich, zumindest standesamtlich heiraten zu können und die Beziehung so offiziell zu bestätigen.

Ganz ohne die Kirche wird die Hochzeit aber nicht stattfinden. Ein Segen ist kirchenrechtlich möglich. Nach der standesamtlichen Trauung im Rathaus wird das Paar noch in die Kirche gehen, um von Pfarrer Zurl einen Segen zu erhalten. Mit dem Kompromiss zeigt sich Campana zufrieden. Er stellt fest: Wenn die Kirche Menschen dazugewinnen will, muss sie sich verändern. Große Hoffnung, dass das bald geschieht, hat er aber nicht.

Von Beate Kampen