Eine unerwartete Begegnung im Petersdom

Als Schwester Francesca Papa Francesco traf

Veröffentlicht am 12.04.2025 um 00:01 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 6 MINUTEN

Rom ‐ Mit 94 Jahren hatte sie einen ganz besonderen Wunsch: den Papst zu treffen. Dass sich dieser Wunsch erfüllen würde, schien für Francesca Battiloro eher unwahrscheinlich. Wer aber ist die zierliche Ordensfrau aus Neapel, die Franziskus "zufällig" im Petersdom traf? Ein Porträt.

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"Kurz nach meiner Geburt hätte ich sterben sollen." So beginnt die bewegende Lebensgeschichte der 94-jährigen Ordensschwester Francesca Battiloro aus Neapel – ein Schicksal, das ganz anders verlief, als es zunächst den Anschein hatte. Denn statt früh zu sterben, führte ihr Weg sie durch ein langes und ungewöhnliches Leben – und schließlich, am vergangenen Sonntag, bis ins Zentrum der Weltkirche. Sehbehindert und auf den Rollstuhl angewiesen, hatte sie in ihrem hohen Alter nur noch einen ganz besonderen Wunsch: nach Rom zu fahren, um an der Feier des Heiligen Jahres für Kranke und Pflegepersonal teilzunehmen, die Heilige Pforte zu durchschreiten und dort – vielleicht – den Papst zu treffen. Für die Heilige Pforte hatte sie extra eine Sondergenehmigung erhalten. Einen anderen Wunsch konnte ihr nur einer erfüllen: "Ich hatte Gott gebeten, den Papst zu treffen, aber es schien unmöglich", erzählte die Ordensfrau laut italienischen Medien.

Dass dies eher unwahrscheinlich sein würde, war ihr eigentlich schon vor der Abreise aus Neapel klar. Schließlich war der Papst nach 38 Tagen Klinikaufenthalt gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden. Doch als sie mit ihrer Gruppe die Pforte durchschritt und am Apostelgrab betete, bewegte sich eine Gruppe von Männern in Anzügen durch den leeren Petersdom – mittendrin die große Überraschung: Papst Franziskus. So begegneten sich Francesca und Papa Francesco schließlich doch.

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Sie gehöre aber nicht zu den Ordensschwestern, die ihn bei seinem Besuch in der neapolitanischen Erzdiözese 2015 umringt und gedrückt hätten, fragte der Papst scherzend. Damals hatten ihre Klausurschwestern Franziskus bei seinem Besuch vor der Kathedrale von Neapel empfangen und "nicht mehr losgelassen", erinnert sich die Ordensfrau. Ein Kardinal musste sie stoppen und zur Ordnung rufen. Schwester Francesca war damals nicht dabei, und so hat sie der Wunsch nach einer Begegnung mit Franziskus bis zuletzt begleitet. Doch wer ist Schwester Francesca – und warum sollte sie kurz nach ihrer Geburt sterben?

Mit zwei Jahren gefirmt

Für heutige Verhältnisse hat die heute 94-jährige Ordensfrau einen eher ungewöhnlichen Lebensweg hinter sich. Rosaria, wie Francesca als Kind hieß, hatte ein Problem: Sie konnte die Muttermilch nicht verdauen, magerte ab und wurde von Tag zu Tag schwächer, erzählte sie kürzlich in einem Gespräch mit der Vatikanzeitung "Osservatore Romano". Für ihre Mutter war die Situation schmerzhaft. Jeden Tag ging sie weinend in den Gottesdienst, bis sie eines Tages in der Kirche von einer Frau namens Annunziata angesprochen wurde. Sie habe eine Tochter in Rosarias Alter und könne helfen. Die Frau ließ ihren Worten Taten folgen und half so der kleinen Rosaria. Später brachte sie die Familie dazu, das kleine Mädchen im Alter von zwei Jahren firmen zu lassen.

Im Ort hatte sich nämlich herumgesprochen, dass Rosarias Familie nach Neapel ziehen würde, weshalb Annunziatas Mann der Familie den Wunsch seiner Frau überbrachte. "Sie möchte das Mädchen firmen lassen." Trotz anfänglichem Unverständnis und fragenden Gesichtern – schließlich war das Kind erst zwei Jahre alt und zu jung für die Firmung – sprach der Vater von Rosaria mit seinem Sohn, der Priester war. "Wir waren sieben Kinder, vier sind Ordensfrauen geworden, einer ist Priester, die anderen beiden haben geheiratet", resümiert Schwester Francesca heute.

Papst Franziskus im Petersdom
Bild: ©picture alliance / ZUMAPRESS.com | VATICAN MEDIA

Doch als sie mit ihrer Gruppe die Pforte durchschritt und am Apostelgrab betete, bewegte sich eine Gruppe von Männern in Anzügen durch den leeren Petersdom – mittendrin die große Überraschung: Papst Franziskus.

Der Bruder, der gleichzeitig zum Sekretär des Kardinals von Neapel ernannt wurde, berichtete seinem Vorgesetzten von dieser Geschichte. Dieser gab schließlich die Erlaubnis, das Kind im Alter von zwei Jahren firmen zu lassen. Bald darauf folgte der Umzug nach Neapel – nebenan, nur eine Treppe entfernt, befand sich das Kloster der Visitantinnen. Unter diesem Namen sind im deutschsprachigen Raum jene Ordensfrauen bekannt, die zum Orden der Heimsuchung Mariens gehören. Mit sechs Jahren empfing Rosaria die Erstkommunion und besuchte mit ihrer Mutter täglich die Kirche nebenan.

"Wir machen eine Ausnahme"

Als die Visitantinnen erzählten, dass die heilige Thérèse mit 15 Jahren ins Kloster gegangen war, regte sich auch in Rosaria der Wunsch ins Kloster einzutreten. "Ich will früher eintreten. Ich will da rein", erinnert sie sich – und an das Gebet, das sie in den Gottesdiensten immer wieder sprach: "Jesus, lass mich bald ins Kloster eintreten." Aber die Mutter wusste nicht so recht, was sie mit dem Wunsch anfangen sollte. Eines Tages traf sie den bereits erwähnten Kardinal, der Rosaria gefirmt hatte, und fragte ihn, wie sie damit umgehen solle. "Sie sagt immer wieder, dass sie ins Kloster will", sagte die Mutter. Daraufhin soll der Kardinal ihr gesagt haben, dass er noch nie eine solche Hartnäckigkeit bei einem achtjährigen Kind gesehen habe. "Wir machen eine Ausnahme", beschloss er. Wenn sie nicht bleiben wolle, könne sie jederzeit die Treppe hinunter ins Elternhaus gehen. Doch Rosaria blieb bei ihrem Wunsch.

Am nächsten Tag verabschiedete sie sich von der Lehrerin und ihrer Klasse und auf dem Friedhof von ihrem verstorbenen Vater. Unter Tränen soll sie anschließend nach Hause gelaufen sein. Dort wartete schon sehnsüchtig ihr Bruder mit süßem Gebäck auf sie. Ein letztes Abendmahl, so nannte sie das gemeinsame Essen. Ein letztes Mal Gebäck, ein letztes Mal Schule, ein letztes Mal Freunde, ein letztes Mal den Bruder, ein letztes Mal die Mutter sehen – bevor sie am 8. Mai 1938, einem Sonntag, die Treppe zur Klausur hinaufstieg und das Kloster betrat, das Haus, "aus dem man nie wieder herauskommt".

Zeit für Erinnerungen

Aus Rosaria wurde Francesca. Ihre Mutter besuchte sie anfangs jeden Tag, sie sprachen immer wieder durch das Gitter. Doch dann kam das Leben dazwischen. Die Mutter wurde krank, Francesca wollte sie besuchen, musste aber erst den Kardinal um Erlaubnis bitten. Als diese eintraf, war die Mutter schon verstorben. Mit sechzehn Jahren legte sie dann ihre feierlichen Gelübde ab – ohne Mutter, ohne Vater, und doch nicht allein.

Heute lebt die 94-Jährige nicht mehr in dem Haus, das sie immer wieder "Haus Jesu" nannte, sondern in einem Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern. Vor zehn Jahren hatten diese sie aufgenommen, als das Kloster geschlossen wurde. Doch eine Erinnerung ist ihr besonders geblieben: an den Tag, an dem sie mit 16 Jahren ihre feierlichen Gelübde ablegte und sich bewusst wurde, dass Gott sie am Leben erhalten hat.

Von Mario Trifunovic