"Europa ohne das Interesse an Religionen wird zerfallen"

Schavan: Manche sprechen in Rom vom Krieg in der Kirche

Veröffentlicht am 12.04.2025 um 11:30 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Hamburg ‐ Immer mehr Konfrontation statt Dialog: Nach Ansicht der früheren Bundesbildungsministerin Schavan droht Europa der Zerfall, wenn es sein religiöses Erbe aufgibt. Zudem warnt sie vor einer "radikalen Truppe" im Vatikan.

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Die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) warnt vor dem Verlust Europas religiöser Wurzeln. "Europa ohne das Interesse an Religionen wird zerfallen", sagte sie am Freitagabend vor Vertretern von Christen und Muslimen in Hamburg. Die christliche Tradition sowie der christlich-islamische Dialog hätten Europa geprägt und Vielfalt geschaffen. Gleichgültigkeit gegenüber diesem Erbe lasse die bestehenden Risse in Europa stärker hervortreten. In der Politik stehe schon jetzt oft nicht der Dialog, sondern die Konfrontation im Vordergrund.

Schavan äußerte sich beim Jahresempfang der Deutschen Bischofskonferenz für Partnerinnen und Partner im christlich-islamischen Dialog. Dieser findet seit 2018 jährlich an wechselnden Orten statt – diesmal in der Katholischen Akademie Hamburg.

"Kein Mensch redet mehr von Menschheitsfamilie"

"Die Religionen haben Begriffe, die man außerhalb nirgends mehr benutzt", erklärte Schavan. Das Wort "Menschheitsfamilie" sei ein Beispiel. "Es gab einmal internationale Dokumente, da stand sowas drin." Aber hinter diese erreichten Konsense falle man gerade zurück. "Kein Mensch redet mehr von Menschheitsfamilie, sondern es gibt jetzt drei Schlüsselbegriffe, die jeden Tag zu hören und zu lesen sind: Zölle, Sanktionen und Waffen." Das mache die Welt ärmer und unsicherer.

Die frühere deutsche Botschafterin im Vatikan warnte auch vor einem Erstarken rechter Ideologien innerhalb von Religionen. Als Paradebeispiel werde meist der politische Islamismus genannt. Doch Radikalisierung gebe es auch im Christentum, etwa in den USA oder im Vatikan, so Schavan. "Manche sprechen in Rom vom Krieg in der Kirche." Es gebe dort Menschen, die sich wünschten, dass das Pontifikat von Papst Franziskus bald zu Ende gehe, und die dann "aufräumen" wollten.

Diese "radikale Truppe" hat laut der ehemaligen Politikerin Schnittmengen mit der radikalen politischen Rechten. Als Beispiel nannte sie den katholischen AfD-Politiker Maximilian Krah, der jetzt im Deutschen Bundestag sitzt. Er sei früher als Anwalt für die traditionalistische Piusbruderschaft tätig gewesen. "Krah findet diesen Papst das einzige Chaos und stellt sich eine ganz andere katholische Kirche vor, als die, wie wir sie nach dem Zweiten Vatikanum erleben." (KNA)