Standpunkt

Die US-Regierung hat das Evangelium völlig missverstanden

Veröffentlicht am 16.04.2025 um 00:01 Uhr – Von Christof Haverkamp – Lesedauer: 3 MINUTEN

Bonn ‐ Angehörige des US-Außenministeriums sollen künftig "antichristliche Voreingenommenheit" von Kollegen melden. Diese Nachricht hat zu Recht für einen Schock gesorgt, kommentiert Christof Haverkamp. Die Anweisung erwecke einen unguten Verdacht.

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Was für eine irritierende Anweisung: Mitarbeitende des US-Außenministeriums sollen anonym "antichristliche Voreingenommenheit" von Kollegen melden. Es ist nur zu verständlich, dass viele amerikanische Diplomaten schockiert reagieren, da diese Anordnung Misstrauen sät.

Von US-Präsident Donald Trump und seinen Ministern ist man schräge und ungewöhnliche Dekrete gewohnt, besonders in den letzten Wochen. Auch religiöse Bezüge, die den meisten Europäern fremd sind, sind keine Seltenheit – wie die Ansicht evangelikaler Christen, Trump sei ein Werkzeug Gottes, weil er im Juli 2024 ein Attentat nur knapp überlebt hat.

Mit christlichen Grundwerten wie Solidarität, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit haben diese Ideen wenig zu tun, denkt man an den Umgang mit Migranten oder die Brüskierung des ukrainischen Präsidenten. Die Anweisung des US-Außenministeriums reiht sich hier ein und erweckt den unguten Verdacht, dass die Regierung in Washington religiöse Fragen vorrangig für ihre eigenen politischen Zwecke instrumentalisieren will. Das kannten wir bisher von Diktaturen, etwa vom Putin-Regime in Russland, das die Spitze der russisch-orthodoxen Kirche für seine Propaganda einspannt.

Wer diese Anweisung in den USA rausgegeben hat, der hat das Evangelium offenbar gründlich missverstanden. Denn mit der christlichen Botschaft der Bergpredigt und mit Nächstenliebe hat ein anonymes Denunzieren Andersdenkender nichts, aber auch rein gar nichts zu tun. Auch richtig verstandene Glaubens- und Religionsfreiheit, ein Zeichen von Toleranz, sieht anders aus. Ob jemand für den diplomatischen Dienst der USA geeignet ist, sollte nicht von seiner Haltung zu einer Konfession oder Religion abhängen. Für die Qualifikation müssen andere Kriterien gelten.

Zweifellos ist der Schutz von Christen, die weltweit wegen ihres Glaubens verfolgt werden, sinnvoll. Aber dafür braucht es andere geeignete Mittel. Diese Anweisung dient offenbar nur als Vorwand, sie verfolgt ein anderes Ziel: die Kontrolle.

Von Christof Haverkamp

Der Autor

Christof Haverkamp ist Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der katholischen Kirche in Bremen und Senderbeauftragter der katholischen Kirche bei Radio Bremen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.