Schwester Anne Kurz über das Sonntagsevangelium

"Er ist nicht hier" – der verstörende Beginn von Ostern

Veröffentlicht am 19.04.2025 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 5 MINUTEN
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Venne bei Münster ‐ Ein weggewälzter Stein, ein leeres Grab, zurückgelassene Leinenbinden: Das Osterevangelium fängt für Schwester Anne Kurz verstörend an. Eine Unterbrechung des normalen Denkens – und trotzdem ganz im Einklang mit Jesu Verkündigung.

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Nach der Sabbatruhe, frühmorgens, als es noch dunkel war, werden die ersten Spuren der Auferstehung gefunden: Der weggewälzte Stein, das leere Grab, die zurückgelassenen Leinenbinden. Der verstörende Beginn der Osterbotschaft lautet: "Er ist nicht hier."

Drei Personen sind am leeren Grab. Jede geht ihren eigenen Weg. Petrus geht in das Grab und betrachtet alles genau. Wir wissen nicht, was er gefühlt, gedacht oder erhofft hat. Der andere Jünger sieht und glaubt. Beide kehren nach Hause zurück. Maria von Magdala indes bleibt draußen vorm Grab, weint und trauert bis der Auferstandene ihr dort begegnet. Niemand von ihnen "kann" Osterglauben. Sie alle treten langsam ein in die neue Wirklichkeit.

Ostern ist ein Weg und nicht eine Antwort. Kein Radiergummi gegen Enttäuschung, Ängste und Tod. Ostern setzt vielmehr genau da an. "Nie werden wir deine Abwesenheit und deinen Tod wirklich verstehen" schrieb der Mystiker Michel de Certeau. Und: "Unsere Empörungen und Enttäuschungen suchen dich immer noch." Ostern ist holprig. "Er ist nicht hier" – Diese Verstörung ist notwendig. Sie ist Unterbrechung des normalen Denkens. Es geht nicht weiter wie bekannt. "Ändert euer Denken" – das war von Beginn an Jesu Verkündigung.

Denken ändert sich nicht schnell. Langsam formt sich aus der nüchternen Feststellung "Er ist nicht hier" die freudige Botschaft: "Er lebt. Wir haben ihn gesehen". Es braucht Jahre bis die ersten Christen den Osterglauben vielfältig beschreiben. Auch mein eigener Glaube verändert sich. Ostern war für mich lange "nur" Hoffnung auf Auferstehung. Aber es ist weit größer: Ostern ist das Ostern der ganzen Schöpfung. Die Evangelien berichten, dass die Schöpfung am Ostern des Herrn teilnimmt. Steine hätten ihm das Hosianna gesungen, wenn die Jünger geschwiegen hätten. Im Garten Getsemani warf sich Jesus auf die Erde, betete und fand neue Kraft. Die Sonne hüllte sich in Finsternis, als er starb, und Felsen taten sich auf. Die Nacht war seine Vertraute, als er auferstand.

In Christus ist alles neue Schöpfung. Ich bekenne, dass das Ostern der ganzen Schöpfung mich sehr berührt. Es schenkt mir Vertrauen und macht weit. Ostern ist größer als die Kirche oder die Menschheit. Ostern ist bewegter Raum der Beziehung, der Freiheit und des Lebens. Klein wie ein Senfkorn beginnt es, zieht Kreise und erfüllt das All. Das erinnert mich an die Ostererfahrung einer vor kurzem verstorbenen Organistin, von der sie vor etlichen Jahren erzählte:  In der Osternacht hatte sie das dreimalige Halleluja gesungen. Dieser Jubelruf beginnt schwer in der Tiefe, langsam steigert er sich in die höheren Lagen. Während sie sang, sah sie wie der Weihrauch langsam aus der Tiefe emporstieg und sich im Raum verteilte. In dem Moment hat sie etwas erfahren von der neuen Wirklichkeit: dem Ostern der ganzen Schöpfung.

Evangelium nach Matthäus (Mt 28,1–10)

Nach dem Sabbat, beim Anbruch des ersten Tages der Woche, kamen Maria aus Mágdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.

Und siehe, es geschah ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Sein Aussehen war wie ein Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee. Aus Furcht vor ihm erbebten die Wächter
und waren wie tot.

Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch den Ort an, wo er lag!

Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden und siehe, er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt.

Sogleich verließen sie das Grab voll Furcht und großer Freude und sie eilten zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden. Und siehe, Jesus kam ihnen entgegen und sagte: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße.

Da sagte Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen und dort werden sie mich sehen.

Die Autorin

Anne Kurz ist Schwester der Gemeinschaft Verbum Dei. Sie ist Referentin für Liturgie im Bistum Hildesheim, Geistliche Begleiterin und Supervisorin in Ausbildung.

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