Franziskus habe "de facto" das Kardinalskollegium abgeschafft

Theologe Lütz: Deutsche übersehen Reformen von Papst Franziskus

Veröffentlicht am 17.04.2025 um 11:34 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN

Düsseldorf ‐ Vor einem zu engen Blick auf Gleichberechtigung in der Kirche hat der Theologe und Autor Manfred Lütz gewarnt. Aus seiner Sicht gab es "revolutionäre Veränderungen" – und kaum jemand in Deutschland hat es bemerkt.

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Vor lauter Fokussierung auf Detailfragen nehmen die Deutschen wegweisende Reformen innerhalb der katholischen Kirche gar nicht mehr wahr, meint der Theologe und Autor Manfred Lütz. Im Interview mit der "Rheinischen Post" sagte Lütz am Donnerstag: "Die deutsche Fixierung auf das Weiheamt für Frauen hat dazu geführt, dass hierzulande die geradezu revolutionären Veränderungen, die Papst Franziskus vorgenommen hat, in der Öffentlichkeit gar nicht wahrgenommen wurden."

Dabei habe der Papst "de facto" das Kardinalskollegium abgeschafft, formulierte Lütz. Die bedeutende Rolle, die die Kardinäle bisher eingenommen hätten, sei vorüber: "Seit 1000 Jahren waren die Kardinäle nach dem Papst die Machthaber in der Kirche, sie leiteten die römischen Zentralbehörden und die größten Bistümer weltweit. Das ist vorbei." Wenn sie Glück hätten, dürften sie noch an einem Konklave teilnehmen und rote Gewänder tragen.

Frauen für den Glauben wichtiger als Männer

Weiter erklärte Lütz, die Kurienreform ermögliche es Frauen, Leiterinnen aller führenden römischen Behörden zu werden. Beim Dikasterium für die Ordensleute und beim Governatorat des Vatikans sei das bereits umgesetzt. Der Theologe ergänzte: "Im nächsten Monat könnte also eine Frau auch Nachfolgerin von Kardinal Ratzinger als Leiterin des Glaubensdikasteriums werden oder als Leiterin des Bischofsdikasteriums über alle Bischofsernennungen der Welt entscheiden."

Mit Blick in die Glaubensgeschichte betonte Lütz: "Ohnehin sind ja Frauen in der Regel wichtiger für den Glauben als die Männer." Denn es seien zumeist die Mütter, die dem Kind vom Glauben erzählten und es seien zumeist Frauen, die am Bett des sterbenden Partners säßen. Zwar sei es richtig, dass die Emanzipation der Frau "nicht selten gegen den Widerstand der Kirchen" stattfgefunden habe. "Denn selbst die Kirche hat das Christentum manchmal erst spät verstanden", so der Theologe. Das ändere aber nichts am emanzipatorischen Grundimpuls des Christentums.

Im Kampf um Gleichberechtigung in der katholischen Kirche schlägt Lütz vor, Weiheämter zu entmachten und mehr als Dienst zu verstehen. Aus seiner Sicht "könnte das vielleicht endlich zu guten Lösungen führen, denen Konservative und Progressive in der Kirche etwas abgewinnen könnten". (KNA)