Margit Eckholt über kirchenpolitische Entscheidungen und Aussagen des Pontifex

Theologin: Papst Franziskus wusste um die Kompetenzen von Frauen

Veröffentlicht am 25.04.2025 um 00:01 Uhr – Von Margit Eckholt – Lesedauer: 7 MINUTEN

Osnabrück  ‐ In Ansprachen, Interviews und kirchenpolitischen Entscheidungen hat Papst Franziskus immer wieder sein Ringen um eine Würdigung von Frauen gezeigt, schreibt Margit Eckholt. Gleichzeitig habe er deutlich gemacht, dass die Partizipation von Frauen eine ganz konkrete Grenze hat.

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Mit Papst Franziskus ist von seinem Amtsantritt am 13. März an auf sehr unterschiedlichen Ebenen Bewegung in die Kirche gekommen, und das betrifft auch die Frage nach den Frauen. Bereits in seinem ersten Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" aus dem Jahr 2013 spricht er von den "legitimen Rechten der Frauen", der gleichen Würde von Männern und Frauen und den "tiefen Fragen", die die Kirche "herausfordern" und die "nicht oberflächlich umgangen werden können" (EG 104). Als Priester und später Erzbischof von Buenos Aires hat er mit vielen Frauen zusammengearbeitet, die in der Pastoral Verantwortung übernommen haben, er hat Gewalt und Not gerade von Frauen in den Armenzonen der Großstädte erlebt und hat mit seiner Kritik am Machismo nicht zurückgehalten. Er weiß um die Kompetenzen der Frauen in Bildungsarbeit und Theologie; das an der theologischen Fakultät in Villa Devoto in Buenos Aires entstandene Theologinnennetzwerk Teologanda hat er unterstützt, die "neuen Anstöße", die Theologinnen geben, benennt er ausdrücklich in "Evangelii gaudium" – im Wissen darum, dass "die Räume für eine wirksamere weibliche Gegenwart in der Kirche noch erweitert werden" müssen (EG 104).

Gerade hier hat der Papst in seinem Pontifikat zentrale Schritte unternommen, die auch ein Nachfolger nicht zurücknehmen kann: In seinem Pontifikat ist es zu einer Öffnung von Leitungspositionen in der Kirche für Frauen gekommen – im Vatikan selbst, aber auch in vielen Ortskirchen weltweit. Papst Franziskus hat mit der italienischen Wirtschaftswissenschaftlerin und Don Bosco-Schwester Alessandra Smerilli im April 2022 die erste Frau zum "secretario" einer vatikanischen Behörde ernannt, des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung. Im Juli 2022 werden drei Frauen zu Mitgliedern des Dikasteriums für die Bischöfe bestellt, darunter die Präsidentin des weltweiten Zusammenschlusses der katholischen Frauenverbände (WUCWO), die Argentinierin María Lía Zervino.

Zum ersten Mal leitet eine Frau eine der zentralen vatikanischen Behörden

Von Bedeutung ist vor allem die Berufung der italienischen Ordensfrau Simona Brambilla zur Präfektin des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens am 6. Januar 2025; damit leitet zum ersten Mal eine Frau eine der zentralen vatikanischen Behörden. Mit der Kurienreform, die der Papst am 20. März 2022 mit der Apostolischen Konstitution "Praedicate Evangelium" angestoßen hatte, war dieser Schritt vorbereitet werden. Sicher, der Consolata-Missionsschwester Simona Brambilla, von 2011 bis 2023 Generalsuperiorin ihrer Gemeinschaft, ist ein Pro-Präfekt, ein Priester, an die Seite gestellt worden – hier wird deutlich, dass noch zu klären ist, wie die Leitung und damit verbundene Entscheidungskompetenzen in einer römischen Behörde durch eine Frau, durch eine Nicht-Geweihte, verstanden werden kann. Ein bislang letzter bedeutender Schritt war die Ernennung der Volkswirtin und Ordensfrau Raffaella Petrini zum 1. März 2025 zur Regierungschefin des Vatikanstaates.

Neben diesen klaren kirchenpolitischen Entscheidungen bleiben die theologischen Aussagen des Papstes zu Frauen – vor allem in Reden, Ansprachen und Interviews – höchst ambivalent. Es wird deutlich, wie er darum ringt, Frauen zu würdigen und gleichzeitig deutlich zu machen, dass die Partizipation von Frauen eine ganz konkrete Grenze hat: die Einbeziehung in sakramentale Ämter. Er betont, dass Frauen "im Leben der Kirche sogar höhergestellt" seien und macht dies an spezifisch "fraulichen" Werten fest, die Frau sei "fruchtbares Empfangen, Sorge, lebendige Hingabe – deshalb ist die Frau wichtiger als der Mann", so bei seinem Besuch an den Katholischen Universitäten in Leuven und Louvain-la-Neuve am 27. und 28. September 2024. Das sind Aussagen, die nicht nur in den säkularen Kontexten Europas auf Kritik stoßen – genau hier wird eine Grenze deutlich, die nicht nur die Theologie des Papstes, sondern die Geschlechteranthropologie des kirchlichen Lehramtes betrifft.

Die Theologin Margit Eckholt
Bild: ©KNA

Margit Eckholt ist Professorin für Dogmatik mit Fundamentaltheologie am Institut für katholische Theologie der Universität Osnabrück.

Papst Franziskus, 1936 in Buenos Aires geboren, hatte sich während seines Studiums in Deutschland mit dem Theologen Romano Guardini auseinandergesetzt, der in den Bahnen einer romantischen Idealisierung der Frau von einer Differenz der Geschlechter spricht und Männlichem und Weiblichem spezifische Typologien zuschreibt. Dieses auf der Polarität und Komplementarität beruhende Geschlechtermodell durchzieht die "Theologie der Frau" des Papstes, und sie wirkt sich auf Sakramentenlehre und Amtstheologie aus. Die Kirche sei weiblich, sie ist die Braut Christi, und Christus steht der Kirche gegenüber, er könne nur durch den Mann repräsentiert werden kann – das sind Formulierungen, die in der lehramtlichen Zurückweisung der Zulassung von Frauen zu sakramentalen Ämtern in den Jahren des Pontifikats von Franziskus immer wieder aufgegriffen werden. Bereits in "Evangelii Gaudium" hat Papst Franziskus betont, dass genau diese Frage "nicht zur Diskussion" zu stellen ist: "Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht." (EG 104)

"Die weibliche Mystik ist wichtiger als das Amt der Männer"

Auf dem Rückflug von Brüssel nach Rom nach seiner Belgien-Reise im September 2024 hat er diese Argumentation wieder aufgegriffen und damit die von verschiedenen Seiten lautgewordene Kritik an seinen Äußerungen zu Frauen in der Kirche zurückgewiesen. "Die weibliche Mystik ist wichtiger als das Amt der Männer", so der Papst und kritisiert damit vor allem einen "Feminismus", der die Frauen "vermännlichen" würde.

Papst Franziskus hat nach der Amazonien-Synode im Oktober 2019, auf der viele in Pastoral und Theologie engagierte Frauen angesichts des pastoralen Notstands in den weiten Regionen Amazoniens von der Notwendigkeit der Einrichtung eines Frauendiakonats gesprochen haben, eine Kommission zur theologischen Klärung dieser Frage eingerichtet. Angesichts der Kontroversen in der Kommission und divergierender Ergebnisse zum historischen und theologischen Sachstand zum Frauendiakonat, wurde die Arbeit dieser Kommission eingestellt, aber auch nach Abschluss der Arbeit einer neuen Kommission wurden bislang keine Ergebnisse vorgelegt. Diese finden – voraussichtlich – Eingang in die Veröffentlichung der Arbeiten der Studiengruppe 9 zu "theologischen Kriterien und synodalen Methoden für eine gemeinsame Unterscheidung von kontroversen lehrmäßigen, pastoralen und ethischen Fragen", die im Anschluss an die im Oktober 2023 und Oktober 2024 durchgeführten Versammlungen der 16. Ordentlichen Bischofssynode zum Thema "Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung" sich auch mit Fragen nach weiteren Beteiligungsmöglichkeiten von Frauen in der Kirche und dem Diakonat für Frauen auseinandersetzen soll.

Papst Franziskus und seine Berufung von Frauen 

Papst Franziskus ist einen wichtigen Schritt gegangen über die Berufung von 55 Frauen aus unterschiedlichen Kontinenten von insgesamt 368 Synodalen als stimmberechtigte Mitglieder der Synode und weiterer Frauen – darunter Theologinnen und Kirchenrechtlerinnen – in die Gruppe der "esperti" und "periti". Ebenso ist der Beratungsprozess für den Papst und den Kardinalsrat nicht zu unterschätzen, der zwischen Dezember 2023 und Juni 2024 im Vatikan stattfand, und in dem strittige Fragen einer "Theologie der Frau", der Geschlechteranthropologie von Hans Urs von Balthasar, der Debatten um den Zugang von Frauen zu Weiheämtern sowie Fragen zu Geschlechterbeziehungen und Macht in der Kirche erörtert worden sind. Es ist ein Novum in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche, dass ein Papst einen solchen Beratungsprozess initiiert hat und für die unmittelbar im Anschluss an die Symposien erfolgten Publikationen je ein Vorwort geschrieben hat.

Diese Entwicklungen machen deutlich, dass es auch im Vatikan nicht mehr möglich ist, dass allein Männer über Frauen und sie betreffende Themen sprechen, sondern Frauen – Theologinnen, Philosophinnen, Kirchenrechtlerinnen, Wirtschaftswissenschaftlerinnen etc. sind in diese Beratungen einzubeziehen. Auch wenn der Papst selbst von einer "Theologie der Frau" nicht Abstand genommen hat und im Blick auf die Zulassung von Frauen zu sakramentalen Ämtern die Türen geschlossen bleiben, so macht das Beharren auf eine in theologisch-wissenschaftlicher Hinsicht überholte "Theologie der Frau" deutlich, dass die Debatte um sakramentale Ämter für Frauen im Pontifikat von Franziskus zu einer der zentralen Fragen der Reform der Kirche geworden ist, die auch ein Nachfolger des Papstes nicht mehr zum Verstummen bringen kann.

Von Margit Eckholt