Standpunkt

Hat der Kurs prophetischer Barmherzigkeit nach Franziskus Zukunft?

Veröffentlicht am 22.04.2025 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 5 MINUTEN

Bonn ‐ Der Glaube von Papst Franziskus war offen, einladend und immer an den Rändern – das Gegenteil einer Ideologie der Abgrenzung. Doch es gibt Stimmen, die einen anderen Kurs wollen. Jetzt steht die Kirche an einem Scheideweg, kommentiert Felix Neumann.

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Papst Franziskus hat Räume für das Denken und das Reden geöffnet. Sein Verständnis vom Christlichen war ein Glaube der weit geöffneten Arme, der hinaus ins Weite und an die Ränder geht. Immer wieder stellte er die Menschen, die dort leben, ihre Hoffnung, Trauer und Bedrängnis in den Mittelpunkt.

Barmherzigkeit war neben der Synodalität eines der großen Schlagwörter dieses Pontifikats. Damit hat Papst Franziskus sich gegen einen zunehmend autoritären und engen Zeitgeist gestellt, der das Eigene vor alles andere setzt. Anders als weite Teil der Welt, gerade des vermeintlich christlichen Abendlandes, blieb Papst Franziskus dieser Barmherzigkeit und Offenheit treu, als der politische Wind sich immer weiter drehte, kälter und schärfer wurde.

Papst Franziskus ist nicht wie viele andere der autoritären und identitären Versuchung erlegen, das Christentum zu einer exklusiven Trennung zwischen "uns" und "den anderen" zu machen, ideologische Reinheit als Selbstzweck zu betrachten, das Christliche als bloßen Identitätsmarker im Kulturkampf zu sehen: Christentum war für ihn kein Kulturchristentum. Der Glaube überstieg für ihn gerade die weltlichen und kulturellen Grenzen – nicht nur einmal musste Franziskus sich dafür mit dem antisemitisch grundierten Schimpfwort "Globalist" belegen lassen.

Uns Europäern hat er dabei immer besonders ins Gewissen geredet. "Die europäische Identität ist und war immer eine dynamische und multikulturelle Identität", sagte er allen, die glauben, ihre Heimatländer in Abgrenzung vor Fremden bewahren zu können. Zuletzt hat er die amerikanischen Bischöfe aufgefordert, die Würde aller Menschen gegen das unmenschliche Deportationsprogramm der Trump-Regierung zu verteidigen: "Die menschliche Person ist ein Subjekt mit Würde, das durch die ihr innewohnende Beziehung zu allen, insbesondere zu den Ärmsten, allmählich zu ihrer Identität und Berufung heranreifen kann."

Dieser Kurs ist auch in der Kirche umstritten. Viele Christen, manche Kirchen – das den Krieg Putins sakralisierende Patriarchat von Moskau allen voran –, und auch einige Bischöfe und Kardinäle sehen den christlichen Glauben identitär und in Abgrenzung stark statt in der radikalen Offenheit des verstorbenen Papstes. Mit dem Tod von Franziskus steht die Kirche daher an einem Scheideweg, der im Konklave entschieden wird: Hält die Kirche fest an der prophetischen grenzenlosen Barmherzigkeit von Franziskus – oder gibt sie den identitären und autoritären Versuchungen des Zeitgeists nach?

Von Felix Neumann

Der Autor

Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.