Valentina Sudić vertritt Gemeinden beim Synodalen Ausschuss

Theologin: Muttersprachliche Gemeinden zeigen Vielfalt der Kirche

Veröffentlicht am 25.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Mainz ‐ Über 16 Prozent der Katholiken in Deutschland haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Und doch werden sie beim Synodalen Weg und in der Kirche insgesamt zu wenig beteiligt, sagt Valentina Sudić. Im katholisch.de-Interview spricht die Theologin darüber, was sich aus ihrer Sicht ändern müsste.

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Rund 3,4 Millionen Gläubige mit einer anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit gehören zur katholischen Kirche in Deutschland. Organisiert sind sie oft in den rund 500 Gemeinden anderer Muttersprachen und Riten, die es deutschlandweit gibt. Diese große Gruppe vertritt Valentina Sudić beim Synodalen Ausschuss. Warum das für sie eine Herausforderung ist, erklärt die promovierte Theologin im katholisch.de-Interview. Außerdem spricht sie darüber, warum es muttersprachliche Gemeinden aus ihrer Sicht überhaupt braucht.

Frage: Frau Sudić, Sie sind Vertreterin der katholischen Gläubigen anderer Muttersprachen und Riten und als solche Mitglied des Synodalen Ausschusses. Ist der Synodale Weg auch in den muttersprachlichen Gemeinden ein Thema?

Sudić: Das ist sehr abhängig davon, in welchem Bistum die muttersprachlichen Gemeinden liegen. Im Erzbistum Köln ist das beispielsweise kein Thema. In anderen Bistümern wie Berlin oder Rottenburg-Stuttgart spricht man dagegen häufig darüber, wie sich die Kirche in Deutschland weiterentwickelt.

Frage: Werden Sie als Mitglied des Synodalen Ausschusses denn von Gläubigen anderer Muttersprachen nach dem Reformprozess gefragt?

Sudić: Ja. Besonders in der ersten Phase des Synodalen Ausschusses bin ich häufig angesprochen worden. Ich selbst war nicht bei den Sitzungen des Synodalen Wegs in Frankfurt, dort haben zwei andere Vertreter für die muttersprachlichen Gemeinden teilgenommen.

Frage: Wie haben Sie die ersten Sitzungen des Synodalen Ausschusses erlebt?

Sudić: Ich fand es sehr befremdlich, als ich dort etwas von der "deutschen Kirche" gehört habe. Für mich gibt es keine deutsche Kirche, sondern nur Kirche in Deutschland – und wir Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprachen sind ein Teil davon! Es ist für mich auch eine große Herausforderung, weil ich allein über 120 Nationalitäten vertreten soll, die von unterschiedlichen Kontinenten kommen und ganz unterschiedliche Kulturen haben. Deshalb sind wir als muttersprachliche Gemeinden in diesen synodalen Gremien zu wenig präsent und müssten mehr Plätze und Stimmen bekommen. Dann könnten sich die zwei oder drei Vertreter auch darüber austauschen, wie sie bestimmte Sätze verstanden haben, wenn etwas unklar ist.

Die Theologin und Vertreterin Muttersprachlicher Gemeinden, Valentina Sudic
Bild: ©Privat (Montage: katholisch.de)

Spricht sich für mehr Beteiligung muttersprachlicher Gemeinden in synodalen Gremien aus: Valentina Sudić. Sie ist promovierte Theologin und Seelsorgerin. Für die Gemeinden anderer Muttersprachen und Riten ist sie Mitglied des Synodalen Ausschusses. Gebürtig stammt sie aus Kroatien.

Frage: Woran liegt es, dass Gläubige in den muttersprachlichen Gemeinden teilweise mit dem Synodalen Weg fremdeln? Liegt es nur an der Sprache?

Sudić: Das ist ein wichtiger Punkt. Die Texte des Synodalen Wegs sind nicht leicht zu übersetzen, weil man immer eine große Fußnote mit Erklärungen schreiben müsste, welchen Hintergrund diese Entwicklungen in der Kirche in Deutschland haben. Ich bin seit 13 Jahren hier in Deutschland und musste viel Zeit investieren, um das alles zu verstehen. Mein Vorteil ist, dass ich Theologin bin und mir die Texte daher leichter erschließen kann. Das können aber nicht alle. Gerade bei den Grundtexten bräuchte es daher eigentlich jemanden, der sie interpretiert. Und bei vielen Gläubigen anderer Muttersprache ist es so: Wenn sie sich unsicher sind, dann hört man auf das, was der Bischof der Kirche im Heimatland oder was Rom sagt. Diese Meinung wird dann übernommen.

Frage: Sie haben es angesprochen: Die muttersprachlichen Gemeinden sind kein einheitlicher Block. Wie weit gehen denn da die Meinungen auseinander?

Sudić: Das Meinungsspektrum ist so breit wie die Weltkarte. Das merkt man auch schon am Alter der Gemeinden: Es gibt beispielsweise polnische oder italienische Gemeinden, die seit mehr als 70 Jahren hier bestehen – aber denen noch immer nicht auf Augenhöhe begegnet wird. Daneben gibt es aber auch eine Reihe junger Gemeinden, beispielsweise mit Gläubigen aus Asien. Die müssen die europäische Kultur erst noch kennenlernen und sich in Deutschland zurechtfinden.  

Frage: Welche Impulse können denn gerade muttersprachliche Gemeinden in die Kirche in Deutschland und speziell beim Synodalen Weg einbringen?

Sudić: Wir können die Vielfalt der katholischen Kirche zeigen. "Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus", heißt es im Galater-Brief des Apostels Paulus (Gal 3,28). Wir können die Brücke zwischen der Kirche in Deutschland und der Weltkirche schlagen. Dafür können wir Botschafterinnen und Botschafter sein. Das sage ich auch oft beim Synodalen Ausschuss. Deshalb ist es auch so wichtig, dass mehr muttersprachliche Gemeinden bei diesen synodalen Prozessen beteiligt werden, weil die Prozesse sich dadurch auch weltweit verbreiten.

„Deshalb ist es auch so wichtig, dass mehr muttersprachliche Gemeinden bei diesen synodalen Prozessen beteiligt werden, weil die Prozesse sich dadurch auch weltweit verbreiten.“

—  Zitat: Valentina Sudić

Frage: Was müsste sich denn ändern, damit die Stimmen der muttersprachlichen Gemeinden in der Kirche insgesamt mehr gehört werden?

Sudić: Nur in drei der 27 Bistümer in Deutschland können Mitglieder muttersprachlicher Gemeinden auch Teil der synodalen Gremien auf Bistumsebene sein. Wir haben oft keinen Pfarrgemeinderat, sondern nur einen Gemeinderat und können daher niemanden in den Diözesanrat wählen. Das ist eine Sackgasse in der Beteiligung. Ich würde mir daher wünschen, dass es für uns in allen Bistümern die Möglichkeit gäbe, Einfluss nehmen zu können. Denn Laiinnen und Laien spielen in den muttersprachlichen Gemeinden eine sehr große Rolle. Es gibt nur wenige hauptamtliche Mitarbeitende und daher ein sehr großes ehrenamtliches Engagement.

Frage:  Warum braucht es überhaupt muttersprachliche Gemeinden?

Sudić: Weil wir in unserer Herzenssprache beten. Als Kroatin bete ich zum Beispiel auf Kroatisch. Ich denke, dass in der Kirche jeder die Freiheit haben sollte, Gott in seiner Herzenssprache zu loben und zu preisen. Und wenn etwas schmerzt, etwas drängt und man über seine Gefühle sprechen muss – so wie wir das im Gebet und in der Seelsorge tun – dann ist es viel einfacher, sich in seiner Muttersprache auszudrücken. Die Sprache, die Kultur, die Mentalität, die Spiritualität – das alles ist sehr wichtig für das Glaubensleben aller Menschen.

Frage: Aber führt das nicht im Zweifel dazu, dass Gläubige anderer Muttersprachen unter sich bleiben und sich nicht in die Pfarrei vor Ort einbringen?

Sudić: Integration ist keine Einbahnstraße, sondern geht immer in beide Richtungen. Wenn muttersprachliche Gemeinden auf dem Gebiet einer Territorialpfarrei liegen, dann zeigen sie dort Präsenz, feiern Gottesdienste, bieten Katechesen an und spenden Sakramente – für alle, die dazukommen wollen, also nicht nur für die muttersprachlichen Gläubigen. Wir sind ein lebendiger Teil der Gemeinden. Gerade zu großen kirchlichen Festtagen gibt es vielerorts die Tradition, dass die muttersprachlichen Gemeinden auch in den deutschsprachigen Gottesdiensten mitwirken. Es gibt aber auch Territorialgemeinden, die sehr stark in ihrer Blase bleiben. Das führt dazu, dass sich dann auch muttersprachliche Gemeinden zurückziehen.

Frage: Wie ließe sich das denn ändern?

Sudić: Es braucht neue, gemeinsame Konzepte, bei denen nicht die Traditionen der einen Gemeinde der anderen übergestülpt werden. Warum können im Sonntagsgottesdienst der Gemeinde nicht eine Lesung in einer anderen Sprache als Deutsch vorgetragen und gemeinsam Lieder in den unterschiedlichen Muttersprachen gesungen werden? Das wäre eine Bereicherung für alle. Bei all diesen Prozessen ist es wichtig, dass wir die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen hören und berücksichtigen. Als Seelsorgerin bin ich der Meinung, dass sich alle Menschen in unseren Kirchen und Pfarreien wohlfühlen müssen. Wir sind alle Kinder Gottes, egal welche Nationalität wir haben oder welche Sprache wir sprechen. Das verbindet uns – und das muss für die Zukunft der Kirche im Fokus stehen.

Von Christoph Brüwer