Fronleichnam – Das sollten Katholiken über das Fest wissen
Juliana von Lüttich war Augustiner-Chorfrau und lebte im 13. Jahrhundert in Belgien. Weil ihre Eltern früh starben, wurde sie als Kind gemeinsam mit ihrer Schwester in die Obhut von Augustiner-Chorfrauen gebracht. Die Ordenfrauen kümmerten sich auf dem Mont Cornillon bei Lüttich um Leprakranke. So ist es in den Berichten über Juliana nachzulesen. Später trat sie selbst in den Orden ein und wurde 1225 sogar Priorin der belgischen Augustiner-Chorfrauen. Als Ordensfrau verehrte Juliana die Eucharistie besonders und hatte schon früh Visionen. So soll sie in einer mystischen Schau einen Vollmond gesehen haben, der eine dunkle Stelle hatte. Diese dunkle Stelle im Mond, der für sie die Kirche symbolisierte, würde darauf hinweisen, dass ein Fest fehle, das die heilige Eucharistie besonders verehre. Juliana erzählte anderen von ihren Visionen und dem damit verbundenen Wunsch. Ihre Mitschwestern und Eva von Lüttich unterstützten sie darin. Eva ließ sich sogar in der Sankt-Martins-Kirche in Lüttich als Reklusin einsperren und lebte in ihrer Zelle, so schreiben es die Überlieferungen, ganz von der Anbetung des Allerheiligsten. Julianas Beichtvater, Johannes von Lausanne, der Kanoniker an der Basilika Sankt Martin in Lüttich war, soll dabei geholfen haben, die Umsetzung eines solchen kirchlichen Festes voranzutreiben. Juliana soll mit ihm zusammen sogar die erste lateinische Fassung des Stundengebets für das Fest Fronleichnam verfasst haben.
Robert von Turotte war zu der Zeit Bischof von Lüttich. Er erfuhr von Julianas Visionen und weil ihr Wunsch dem Frömmigkeitsleben der damaligen Zeit entsprach, führte er tatsächlich in seiner Diözese ein Fest zur Ehre des Leibes Christi ein. 1246 wurde das Fronleichnamsfest das erste Mal gefeiert. Das Wort "Fronleichnam" kommt aus dem Mittelhochdeutschen. Es leitet sich von vrôn, "was den Herrn betrifft", und lîcham "Leib" ab und bedeutet "vronlichnam", also: "Der Leib des Herrn". Der Lütticher Bischof legte damals schon fest, dass das Fronleichnamsfest, an dem die konsekrierte Hostie besonders verehrt werden solle, am Donnerstag nach Trinitatis gefeiert, dem Dreifaltigkeitssonntag, zehn Tage nach Pfingsten, gefeiert werde. Auch der Dominikanerprovinzial für Frankreich, Hugo von Saint-Cher, trug dazu bei, dass das Fest sich weiter ausbreitete.
Entscheidend dafür wurde vor allem der Lütticher Erzdiakon, Jacques Pantaléon von Troyes. Er wurde später Papst Urban IV. und führte das Fest offiziell in den kirchlichen Festkalender ein. Als Beweis für das Fest, das bestätigen solle, dass in der konsekrierten Hostie Jesus anwesend ist, bezog sich der Papst auf das Brotwunder von Bolsena in Italien. Das Wunder soll sich 1263 ereignet haben. Ein Pfarrer aus Prag feierte in der Santa-Cristina-Kirche in Bolsena eine Messe und soll gesehen haben, wie aus der geteilten Hostie Blut auf ein Tuch tropfte. Dieses blutbefleckte Tuch brachte man zu Papst Urban IV., der in Orvieto residierte. Er sah das Wunder der blutenden Hostie als Beweis dafür an, dass es ein Fest brauche, das die Eucharistie als Altarsakrament verehre. Durch seine päpstliche Bulle Transiturus de hoc mundo führte er das Fronleichnamsfest 1264 für die gesamte lateinische Kirche ein.
Auf einem Gemälde in der Allerheiligsten-Kapelle der Sankt-Martins-Basilika in der belgischen Stadt Lüttich, wird die heilige Juliana als Mystikerin mit einer Vision dargestellt. Unter ihr wird die selige Eva von Lüttich dargestellt, die genau wie sie, das Altarsakrament besonders verehrt haben soll.
Der Papst schrieb an die Reklusin Eva von Lüttich sogar einen Brief, in dem er ihren Einsatz für das Fronleichnamsfest würdigte. Außerdem beauftragte er den Dominikanerprofessor Thomas von Aquin, Hymnen für die Liturgie des kirchlichen Festes zu verfassen. So entstand die bekannte Fronleichnamssequenz Lauda Sion, die später übertragen wurde in das deutsche Lied Deinem Heiland, deinem Lehrer. Im selben Jahr, nachdem Papst Urban IV. Fronleichnam offiziell in den Festkalender der Kirche einführte, starb er. Auch Juliana erlebte die Einführung des Festes in der Kirche nicht mehr. Sie wurde wegen ihrer angeblichen Strenge und Reformbemühungen sogar aus ihrer Ordensgemeinschaft vertrieben, lebte später in anderen Gemeinschaften und starb 1258 als Begine.
Bald übernahmen Frauenorden und die von der mittelalterlichen Eucharistiefrömmigkeit geprägten Prämonstratenser und Zisterzienser das auf Anregung von Frauen entstandene Fest. Dennoch breitete sich Fronleichnam erst nur zögerlich aus. Papst Clemens V. und Papst Johannes XXII. bekräftigten nochmals die Bulle von Urban IV. Dies führte zu einer breiteren Rezeption des Hochfestes. Später entstanden Prozessionen hinzu, die Fronleichnam noch feierlicher machen sollten und der Schaufrömmigkeit der Menschen damals entgegenkamen.
Prozession und Blumenteppich
Im 14. Jahrhundert kam der Brauch auf, am Fronleichnamsfest die konsekrierte, also die gewandelte Hostie, vor oder nach der Messe umherzutragen – begleitet von Gebeten und Gesängen. Bis heute gibt es diesen Brauch in zahlreichen Kirchengemeinden. Die Idee dahinter: Man will die Kirche als pilgerndes Gottesvolk zeigen und die reale Anwesenheit Jesu im Brot: "Jesus ist mit uns unterwegs". Die Hostie wurde früher dazu in eine Pyxis, ein Transportgefäß gelegt, später dann in eine Monstranz, einem Schaugefäß, und dort auf eine halbmondartige Halterung gesteckt. Vielleicht sollte diese an die Mond-Vision Julianas von Lüttich erinnern. Ein Priester oder Diakon trägt bei der Prozession die Monstranz mit dem Allerheiligsten. Er wird von der Gemeinde dabei begleitet, sie gehen aus der Kirche hinaus durch das Dorf oder die Stadt und dann wieder zurück in die Kirche. Meist geht der Priester dabei unter einem "Himmel", das ist ein Baldachin aus Stoff, der von Helfern bei dem Umgang mitgetragen wird. Begleitet wird der Festzug gerne von Musikgruppen, Vereinen, Ordensleuten und Gläubigen. Es ähnelt seinem Aufbau einem Bitt- und Flurumgang. Oft werden auf dem Prozessionsweg vier geschmückte Altäre vorbereitet, an denen die Prozession Halt macht und die "Statio" betet. Dabei werden Teile aus dem Evangelium vorgelesen, Fürbitten gehalten und vom Priester mit der Monstranz der "Wettersegen" in alle vier Himmelsrichtungen gespendet.
Frühe Belege für Fronleichnamsprozessionen finden sich den Quellen zufolge Ende des 13. Jahrhunderts schon in Köln St. Gereon und in Benediktbeuern. Für die Prozessionen wurden früher gerne kostbare Monstranzen gestiftet und zum Teil auf Wägen mitgeführt. Gleichzeitig kam mit der Zeit auch der Brauch auf, Blumenteppiche vor den Stationsaltären auf den Boden zu legen. Das ist heute noch in manchen Orten zum Beispiel in Süddeutschland üblich. Mit Blüten, Blättern und anderen Streumitteln werden Motive der Eucharistie oder christliche Symbole gezeigt. Der Priester schreitet mit der Monstranz in der Hand über diesen Blumenteppich.
Musikkapelle, Familien und Gläubige begleiten das Allerheiligste bei einer Prozession an Fronleichnam durch die Wiesen in Lommersdorf, einem Ortsteil von Blankenheim. Der Priester geht unter einem Baldachin.
Während einer Fronleichnamsprozession in der Pfarrgemeinde wird meist gegen Ende das lateinische Tantum ergo sacramentum gesungen, sowie der Segen mit der Monstranz gespendet und das Lied Großer Gott gesungen. Auch Schiffsprozessionen wie zum Beispiel in Köln-Mülheim auf dem Rhein oder am Bodensee entwickelten sich parallel dazu. Sogar Fronleichnamsspiele gab es Ende des 14. Jahrhunderts in Tirol. Für Katholiken wurde die Fronleichnamsprozession zu einem öffentlichen Bekenntnis. Die Kritik an den prunkvollen Umzügen und dem Abgleiten mancherorts in einen bloß folkloristischen Brauch blieb daher nicht aus.
Kritik an den Bräuchen
Vor allem Martin Luther und die Reformatoren sahen in den mit dem Fest verbundenen Feierlichkeiten eine Provokation. Das Tridentinische Konzil im Jahr 1614 setzte daher fest, dass die Prozession als Umgang ohne Stationen mit abschließendem eucharistischem Segen stattzufinden habe. Das Zweite Vatikanum stellte klar, dass die Feier der Eucharistie selbst und der Empfang der gewandelten Gaben die Hochform der Verehrung selbst sei. Dadurch verloren die Prozessionen mit der Zeit an Bedeutung und wurden in manchen Kirchengemeinden gekürzt oder abgeschafft. Heute stellt es das Kirchenrecht dem jeweiligen Ortsbischof oder Ortspfarrer frei, ob und wie eine Prozession an Fronleichnam stattfinden soll. Viele Kirchengemeinden organisieren diese weiterhin wegen der langen Tradition. Auch gibt es ökumenische Bemühungen in manchen Gemeinden, wie zum Beispiel den Brauch, dass die Prozession an Fronleichnam in der katholischen Kirche startet und in der evangelischen Kirche mündet.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde in Hinblick auf Fronleichnam die Eucharistie in ihrer vollen Form betont. Bis 1970 hieß das Fest In Festo Sanctissimi Corporis Christi, also "Am Fest des Allerheiligsten Leibes Christi". Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde das Fest in das "Hochfest des heiligen Leibes und Blutes Christi" umbenannt, um die Vollgestalt der Eucharistie in Brot und Wein zu betonen. Bis 1955 hatte das Fronleichnamsfest auch eine eigene Festoktav, die nach der Liturgiereform des Zweiten Vatikanums allerdings entfiel. Heute drückt das Fest für Katholiken die Dankbarkeit für die leibliche Gegenwart Jesu in Brot und Wein aus und die Gemeinschaft der Gläubigen mit ihm. In Deutschland ist Fronleichnam in den katholisch geprägten Bundesländern ein gesetzlicher und arbeitsfreier Feiertag. In den anderen Bundesländern kann das Hochfest des Leibes und Blutes Christi auch am darauffolgenden Sonntag nachgefeiert werden.
Juliana von Lüttich wurde 1869 von Papst Pius IX. heilig gesprochen und wird besonders bei den Augustiner-Chorfrauen und -herren verehrt. Auch Eva von Lüttich wurde selig gesprochen und wird bis heute in der Sankt-Martins-Basilika in Lüttich verehrt, denn in dieser Kirche wurde das erste Mal Fronleichnam gefeiert. Dank der beiden geistlichen Frauen gibt es heute dieses Kirchenfest.
