"Dies wäre ein fatales Signal"

Kommission für Zeitgeschichte fürchtet um Existenz – Brief an Bischöfe

Veröffentlicht am 16.06.2025 um 13:17 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Sie hat Forschung zu Heimkindern und Zwangsarbeitern im Bereich der Kirche auf den Weg gebracht: Die Kommission für Zeitgeschichte versteht sich als europaweit einzigartiges Netzwerk – und sieht sich jetzt bedroht.

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Seit mehr als 60 Jahren erforscht die Kommission für Zeitgeschichte die jüngste Vergangenheit von Kirche und Katholiken in Deutschland. Jetzt fürchtet sie um ihre Existenz. Die in ihr zusammengeschlossenen Wissenschaftler appellierten am Montag in einem Offenen Brief an die deutschen Bischöfe, die außeruniversitäre Forschungseinrichtung nicht einem kirchlichen Sparzwang zu opfern.

"Sollte der Streichungsbeschluss endgültig gefasst werden, stellen Sie eine über 60-jährige aktive Mitwirkung der katholischen Kirche am zeitgeschichtlichen Diskurs an den Universitäten und in der Öffentlichkeit zur Disposition", betonen die Unterzeichner: "Dies wäre ein fatales Signal des weiteren schrittweisen kirchlichen Rückzugs aus unserer Gesellschaft."

Europaweit einzigartiges Netzwerk

In der Bonner Forschungsstelle arbeiten derzeit drei hauptamtliche Kräfte. Sie organisieren ein nach eigener Einschätzung europaweit einzigartiges Netzwerk katholischer Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer der Kirchengeschichte, der Staats-, Politik- und Sozialwissenschaften. Im Zentrum der Arbeit stünden derzeit aktuelle Fragen zum Katholischsein von nicht mehr kirchengebundenen Katholiken, zur Demokratie und Demokratiegefährdung in Kirche und Katholizismus, zur Geschichte des Antiziganismus sowie zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs.

Um diese durch öffentliche Gelder geförderte Arbeit fortzusetzen, müsse die Bonner Forschungsstelle erhalten bleiben. Diese sei schon in der Vergangenheit von deutlichen Kürzungen betroffen gewesen, schreiben die Unterzeichner. Gleichwohl sei die Kommission zu weiteren Reformen bereit.

Unterzeichnet ist der Offene Brief von sämtlichen Mitgliedern der Wissenschaftlichen Kommission. Dazu gehören neben anderen die Historiker Thomas Brechenmacher (Potsdam) und Klaus Große Kracht (Hamburg), die Historikerin Birgit Aschmann (Berlin), die Kirchenhistoriker Wilhelm Damberg (Bochum) und Andreas Holzem (Tübingen), Politikwissenschaftler Antonius Liedhegener (Luzern) sowie Staatsrechtler Christian Waldhoff (Berlin). Unterstützt wird der Appell auch von bislang 25 weiteren Wissenschaftlern und Persönlichkeiten, an der Spitze der Trierer Historiker und Vorsitzende des Verbandes der Historikerinnen und Historiker Deutschlands, Lutz Raphael. (KNA)