Franz Beckenbauer: Der Allerchristlichste Kaiser
Kaiser gibt es – abgesehen von Japan – nur noch in Geschichtsbüchern. Dass der Ehrentitel in Deutschland einem Fußballer zukam, hat mit der besonderen Persönlichkeit von Franz Beckenbauer zu tun. Der geniale Ballzauberer, Weltmeister als Spieler und Trainer, galt als Lichtgestalt des Sports. "Kaiser Franz" war von einer Leichtigkeit umgeben, die vieles lange abprallen ließ.
Diese Leichtigkeit hatte mit seiner "Schau'n mer mal"-Mentalität ebenso zu tun wie mit den Wurzeln des ehemaligen Messdieners aus München-Giesing. Beckenbauer, der am Sonntag im Alter von 78 Jahren starb, ist religiös durchaus musikalisch. Analog zum einstigen französischen Königstitel hätte man ihn mit etwas Augenzwinkern als "Allerchristlichsten Kaiser" ansprechen können – auch wenn er nicht frei von Sünden gewesen sein mag und einst demütig einräumte: "Ich bin ja von Haus aus ein gläubiger Mensch, aber beim regelmäßigen Kirchengang hatte ich geschludert."
Begegnung mit Papst Benedikt XVI.
Joseph Ratzinger, der 2005 als Benedikt XVI. auf den Papstthron rückt, habe ihn inspiriert, sich wieder stärker für die Kirche zu interessieren, bekannte Beckenbauer einst. Die Begegnung mit Benedikt im Oktober 2005 im Vatikan bezeichnete er als "Höhepunkt in meinem Leben". Das Kirchenoberhaupt strahle eine "unglaubliche Würde und Ruhe" aus und sei darüber hinaus noch fußballinteressiert, so erinnerte sich der "Kaiser" danach.
In dem Band "Prominente über den Papst", herausgegeben 2012 vom einstigen Papstsekretär Georg Gänswein, schilderte Katholik Beckenbauer, wie ihn die Begegnung mit Benedikt XVI. persönlich verändert habe. Er gehe häufiger zur Kirche, zudem bete er jeden Tag das "Vater unser", daraus schöpfe er Kraft und Stärke. Als der Papst im Jahr darauf überraschend zurücktrat, bekannte der weltbekannte Sportsmann: "Das ist schade für die katholische Kirche. Für mich war er der beste Papst, den ich erlebt habe. Ich schätze ihn sehr." Ein Foto von der Begegnung im Vatikan führe er stets mit sich.
Über den gegenwärtigen Papst hatte sich Beckenbauer nicht geäußert. Jorge Mario Bergoglio kommt aus Argentinien, das im WM-Finale 1990 den vom "Kaiser" trainierten Deutschen unterlag – ausgerechnet in Rom, wo einst die Cäsaren gekrönt wurden, also die Kaiser. Als sich Bergoglio nach seiner Kür den Namen "Franziskus" gab, glaubte mancher Sportsfreund – wenn auch nicht ganz ernstgemeint – prompt, er habe sich nach dem "Kaiser" benannt. "Mehr kann man nicht verlangen als Fußballfan", lautete ein Kommentar im Netz.
WM-Pfarrer kam mit nach Italien
1990 hatte Beckenbauer übrigens einen eigenen WM-Pfarrer mit nach Italien genommen. Noch heute heißt es, der deutsche Triumph gehe wesentlich auf Kapuzinerpater Matthias Doll zurück, der danach als Wallfahrtsseelsorger am Würzburger Käppele arbeitete. "Da kommt der Pater, der uns geholfen hat, Weltmeister zu werden", sagte Beckenbauer stets, wenn beide sich trafen. "Ich schätze seine Persönlichkeit sehr hoch", schwärmt der Mönch bis heute. Die Fußball-Legende sei überzeugt davon gewesen, Gutes tun zu müssen und habe dies auch ganz praktisch umgesetzt. "Wenn jemand seinen Charakter nicht schult und einsetzt, hilft die ganze Frömmigkeit nichts."
Auch manch amtskirchlich beäugte Fehltritte – dreimal war der "Kaiser" verheiratet, er hatte fünf Kinder von drei verschiedenen Frauen – taten seiner Popularität keinen Abbruch. Beckenbauer verstand es, aufkommende Empörung mit der Leichtigkeit, die ihn schon auf dem Platz auszeichnete, wegzumoderieren: "Der liebe Gott freut sich über jedes Kind", lautete einer seiner legendären Sprüche. Wenn der Allerchristlichste Kaiser das sagt, ist das so.
Hinweis
Dieser Artikel erschien erstmals zu Beckenbauers 70. Geburtstag im Jahr 2015 und wurde anlässlich seines Todes nun aktualisiert.