Dresdner Bischof hofft auf Änderungen kirchlicher Lehre

Timmerevers: Es braucht "neues Denken" von Kirche über Gender-Fragen

Veröffentlicht am 24.06.2025 um 13:10 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Freiburg ‐ Die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und sexueller Orientierungen ist für die Kirche immer noch eine Herausforderung. Bischof Heinrich Timmerevers hofft dennoch auf Änderungen der kirchlichen Lehre. Das "Gender-Thema" sei keine Ideologie.

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Bischof Heinrich Timmerevers sieht mit Blick auf die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und sexueller Orientierungen den Bedarf für eine Überprüfung der offiziellen kirchlichen Positionen bei diesen Themen. "Hier braucht es ein neues Denken, das in der kirchlichen Lehre und im Katechismus der Katholischen Kirche in Worte gefasst wird", sagte Timmerevers in einem Interview der neuen Ausgabe der Reihe "Herder Thema" mit dem Titel "Sichtbar anerkannt. Vielfalt sexueller Identitäten".

Zwar sei er persönlich bei vielen Gender-Fragen nach wie vor unsicher, so Timmerevers weiter. Ein anerkannter Wissenschaftler habe ihm jedoch erklärt, wie die geschlechtliche Orientierung zustande komme: "Es gibt ein bestimmtes Alter – er sprach von 13 bis 16 –, da ist eine Orientierung im Grunde festgelegt. Und da kann man nicht mehr herumradieren. Das ist so, also ein Faktum." Er frage sich, unter welchen Konstellationen Kirche hier von schwerer Sünde reden könne – "wenn überhaupt", so Timmerevers.

"Das Heil der Seelen ist oberstes Gesetz"

Der Dresdner Bischof äußerte die Hoffnung, dass sich hinsichtlich Anthropologie und Geschlechtertheorie in der kirchlichen Lehre etwas ändern werde. "Das setzt voraus, dass wir uns in die wissenschaftliche Auseinandersetzung hineinbegeben. Das bedeutet auch, dass es sich in dieser Auseinandersetzung nicht um eine ideologiegetriebene Wissenschaft handelt, sondern wirklich um ein Ringen um Erkenntnis und Wahrheit." Die Wahrheit versuche, den Menschen in seiner Wirklichkeit als Ganzes wahrzunehmen. "Wir sollten uns diesem Prozess des Ringens stellen. Ich finde es schwierig, wenn bezüglich der Gender-Thematik sofort kommt: Das ist Ideologie."

Zugleich mahnte Timmerevers Sensibilität für die kulturelle Vielfalt der Weltkirche an: "Über meine persönlichen Kontakte ist mir deutlich geworden, wie in einigen Ländern Afrikas in diesem Themenfeld gedacht wird", erklärte der Bischof. "Wie bekommt man das alles zusammen? Wie kann das eine Lehramt das für alle leisten, wie kann die kirchliche Lehre weiterentwickelt werden, die neue humanwissenschaftliche Erkenntnisse einbezieht und den kulturellen Horizont nicht außen vor lässt?" Eine Art goldene Regel sei für ihn der letzte Satz des Kirchenrechts: Das Heil der Seelen ist oberstes Gesetz. Dies könne der "Schlüssel einer angemessenen theologischen Hermeneutik" sein.

Schepers: Theologie soll nicht nur sagen, was nicht geht

Der Essener Weihbischof Ludger Schepers, der auch Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für queere Pastoral ist, kritisierte in dem Interview, dass die Theologie bei Fragen der Sexualmoral oft sage, wie es nicht gehe. "Sie soll auch sagen, wie es geht; wie gelingende Sexualität vor der Ehe aussehen kann, nicht nur mit Verboten." Die Theologie müsse wahrnehmen, dass Sexualität ein bestimmendes Merkmal des ganzen Lebens sei – bis ins hohe Alter.

Mit Blick auf die biblische Schöpfungserzählung warnte Schepers davor, die Erzählung als wissenschaftliche Erklärung dafür anzusehen, wie Gott alles erschaffen habe. Was in der Bibel von der Erschaffung des Menschen oder von der Welt insgesamt beschrieben sei, dürfe nicht "in fundamentalistischer Manier" wortwörtlich genommen werden. "Die bleibende historische Grundaussage ist: Gott hat alles geschaffen; hat wirklich alles geschaffen – Himmel und Erde. Das ist die Konstante dieser biblischen Aussagen. Und dann gehören alle Menschen dazu: männlich, weiblich und was dazwischen ist, was wir noch nicht wissen, was sich neuen Erkenntnissen entbirgt." (stz)